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Transkript
00:00In verschiedenen Bereichen ist man eingeschränkt.
00:11Ja, es sind Psychofarmaka, wovon ich abhängig gemacht wurde, ohne dass ich es wusste.
00:18Aber dadurch, dass ich sehr viel mache, kann ich das so ein bisschen aufheben, diese Wirkung.
00:24Laufen ist für mich das Gefühl der Freiheit, laufend in der Natur unterwegs ist mein Spruch.
00:34Die Klapsmühle, davor hast du dich gefürchtet und auf einmal warst du drin.
00:39Und mit der ersten Einweisung, mit dem ersten Medikament, was du schluckst,
00:45kommst du dann in so einen Rhythmus rein, dieses Krankheitsbildes.
00:50Ich würde es mit vegetieren. Mit vegetieren möchte ich es beschreiben.
00:57Also ich habe da jeden Tag versucht, den Arm zu erreichen. Mehr war da nicht.
01:05Also ich bin 1983 in die Psychiatrie geschickt worden. Das war das dritte Ausbildungsjahr.
01:12Das war ganz furchtbar. Ich war knapp 19 Jahre alt und habe sowas noch nie gesehen.
01:17Also es gab die moderne Psychiatrie in DDR-Zeiten und es gab gleichzeitig den Bewahrpsychiatrie.
01:25Da sind Menschen mit Jahrzehnten Unterbringung gewesen.
01:29Und da wusste man auch gar nicht mehr, warum die hierher gekommen sind.
01:32Gesunde, optimistische Menschen, die im Kollektiv ihr Glück finden.
01:47Gesunde, optimistische Menschen, die im Kollektiv ihr Glück finden.
02:01Sie sollen das Bild der DDR prägen.
02:03Psychische Krankheiten und seelisches Leiden werden mit dem Sozialismus überwunden, so die Doktrin.
02:13Alles, was diese Sichtweise trüben könnte, wird möglichst aus der Öffentlichkeit verbannt.
02:19Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern.
02:30Seit mehr als 100 Jahren werden hier im Krankenhaus West Menschen mit psychischen Problemen behandelt.
02:38Lothar Tietke kommt nach langer Zeit an den Ort zurück, der sein Leben für immer veränderte.
02:52Hier bin ich am 12.10.1981 aufgenommen worden, auf einer offenen Station.
03:05Und in einer Nacht und Nebelaktion hat man mich dann hier rüber getragen und dann war ich hier in der P4.
03:16Lothar Tietke hatte sich am Arbeitsplatz die Pulsader aufgeschnitten.
03:20Er wird ärztlich versorgt und nach Hause geschickt.
03:25Nachdem seine Familie ihn mit Vorwürfen konfrontiert, kommt es zu einer Kurzschlussreaktion.
03:31Ich wurde dort aufgepeitscht und ich würde alle mit meinem Verhalten und mit meinen Handlungen gefährden.
03:41Und ich wurde angestrien und so weiter.
03:43Ich hatte mir dann dort in der Küche ein Küchenmesser genommen und hatte es mir in den Bauch gestoßen.
03:52Die Verletzungen sind jedoch nur leicht.
04:00Auf dem Einweisungsschein des Krankenhaus West wird die Diagnose akute Psychose mit einem Fragezeichen versehen.
04:08Nach Angaben des Vaters und der Schwester leide Lothar unter Verfolgungswahn.
04:14Das Haus P4 beherbergt vor allem psychisch kranke Menschen, die Straftaten begangen haben.
04:23Der 23-jährige Schlosser wird auf diese geschlossene Station verlegt. Mit einer, wie er heute weiß, unklaren Diagnose.
04:32Man musste ständig, ich habe es immer so gesagt, mit dem Rücken zur Wand gehen, weil die Schlägereien waren wirklich jeden Tag entweder unter sich oder mit dem Personal.
04:45Personal kam dann ab und zu mal rein mit drei Mann, schnappten sich einen und weg war er.
04:51Und für mich war bloß wirklich aufstehen und dann schon wieder das Ende des Tages, wann kannst du wieder zu Bett gehen.
05:00Also es war fürchterlich.
05:05Zunächst wird Lothar Tietke tagelang in einem sogenannten Netzbett fixiert.
05:11In einem Lehrfilm wird diese Methode 1985 als überholt nachgestellt.
05:17In vielen Kliniken dient sie jedoch als Beruhigungs- und Disziplinierungsmittel.
05:22Ich habe geschrien. Ich habe geschrien. Es soll einer kommen.
05:26Da hörst du nachher langsam auf, wenn keiner Notizen nimmt.
05:32Es waren ja noch mehrere, die da drin waren, auch geschrien haben.
05:36Und das hatte keinen Zweck.
05:38Du warst wirklich dort unten gefangen und musstest mit dir selber klarkommen.
05:422012 wird die Psychiatrische Großklinik von der Helios-Gruppe übernommen.
05:49Marika Kahle beginnt 1983 im damaligen Bezirkskrankenhaus Stralsund-West ihre Schwesternlaufbahn.
06:01Sie kommen in ein Haus und hinter ihnen geht die Tür zu, da ist kein Drücker. Sie kommen nicht wieder raus.
06:11Es war von außen schon ein Höllenlärm zu hören. Alle schrie durcheinander, alle sprachen laut und es stank ganz furchtbar.
06:23Nach Rauch, nach Fäkalien, nach Schweiß, nach allem, nach Schmutz.
06:27Und dann war ich einfach, ich dachte, das setzt dich richtig hier. War aber richtig.
06:39Für Marika Kahle wird der Einsatz in der Psychiatrie zunächst angeordnet.
06:44Damals können Fachkrankenschwestern erst nach drei Jahren ihren Arbeitsplatz frei wählen.
06:51Belastend sind vor allem die chronische Personalnot und die vielen materiellen Engpässe.
06:57Eine Intimsphäre oder Rückzugsmöglichkeiten gibt es für die Patienten nicht.
07:02Wir hatten zwei Schlafseele, neben einem lagen so ungefähr 30 Betten, wie Ehebetten, ganz dicht nebeneinander.
07:12Und jeder zweite, dritte hatte Glück und hatte einen Nachtschrank, konnte sich den auch teilen mit seinem Bettnachbarn.
07:20Und das war's. Ansonsten war alles unter die Matratze gelegt oder so.
07:26Die Notlage im Bezirkskrankenhaus Stralsund-West ist kein Einzelfall.
07:30Für die Öffentlichkeit bleiben die Zustände in den Psychiatrien der DDR weitgehend unsichtbar.
07:39Im Mai 1990 gelingt es einem DDR-Fernsehteam erstmals, einen Blick hinter die Mauern einer Psychiatrie in Ueckermünde zu werfen.
07:48Mein Name ist Luther Störp. Ich bin jetzt schon als Kind hier im Krankenhaus aufgewachsen.
07:57Und dann führe ich euch durch die Klinik. Das ist mein Wunsch.
08:021991 bestätigt eine von der Bundesregierung beauftragte Untersuchungskommission von West- und Ostdeutschen Psychiatern katastrophale und zum Teil menschenunwürdige Zustände in vielen Kliniken der DDR.
08:20Mit dem Forschungsprojekt Seelenarbeit im Sozialismus wird die Psychiatrie in der DDR seit 2019 neu erforscht.
08:35Der Rostocker Psychiater Eckhard Kumbir gehört zu den leitenden Mitarbeitern der Untersuchung.
08:44Da ist ein Mangel an alltäglichen Gebrauchsgegenständen, zum Beispiel von Tupfern bis zu Spritzen, Medikamente.
08:59Auf jeden Fall, da fehlten viele Möglichkeiten, da hatte die DDR einfach keine Ressourcen mehr.
09:05Das ist so ein Kontinuum, was sich eigentlich fast durchzieht durch die gesamte Zeit. Mal mehr, mal weniger.
09:11Die psychiatrischen Krankenhäuser der DDR erhalten deutlich weniger Haushaltsmittel als andere Kliniken.
09:20Das Interesse und die Fürsorge des Staates gelten vor allem den produktiven Menschen.
09:27Bis zu 70 Prozent der rund 20.000 Psychiatrieplätze sind mit Langzeitpatienten belegt.
09:34Vor allem, weil es kaum Pflegerehabilitationsstätten oder Wohnheime für sie gibt.
09:42Wissen Sie, es war alles durcheinander, was da lag an Patienten.
09:45Schwerstgeistig und Körperbehinderte, die nicht sprechen konnten, zum Teil ganz schlecht laufen, mit Spastiken, mit was weiß ich.
09:56Ich hatte so das Gefühl, es wird alles, was man nicht zuhause wohnen lassen kann alleine, wurde erstmal dorthin gebracht.
10:06Viele sind ja auch nahtlos von der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die jungen Patienten, dann auf die Erwachsenenpsychiatrie geschickt worden.
10:15Weil, ja wohin? Die sind da groß geworden hier im Gelände.
10:26August 2021.
10:31Chris Timmler macht sich für den Start bereit.
10:33Die Leipzigerin hat sich auf extreme Langstreckenläufe bis zu 160 Kilometern spezialisiert.
10:42Heute geht es nur auf einen 100 Kilometer Rundkurs.
10:52Was habe ich mir vorgenommen? Einfach locker durchlaufen, finish ankommen.
10:57Zehnmal zehn Kilometer laufen. Mal sehen, wie weit ich komme.
11:00Die 61-Jährige geht die Herausforderung entspannt an.
11:12Vor mehr als 40 Jahren gerät das Leben von Chris Timmler völlig aus der Spur.
11:20Um ihrem gewalttätigen Vater zu entkommen, absolviert sie eine Ausbildung als Zoo-Technikerin mit Internatsanschluss.
11:28Damals arbeitet Chris Timmler oft sieben Tage durch.
11:33Sie will das Wochenende nicht daheim verbringen müssen.
11:37Es war eine Überarbeitung. Man war total erschöpft.
11:40Der Arzt hat gesagt, ob ich in ein Krankenhaus möchte.
11:43Da habe ich gedacht, okay, dann gehe ich doch mal in ein Krankenhaus.
11:46Aber ich habe ja erst da drin erfahren von den Klienten, dass ich in einer Klaps, also die haben das dann so gesagt, Klapsmülle bin.
11:55Und das war für mich wie Kurzschloss. Da habe ich gedacht, da drehst du erst durch.
11:59Die offensichtliche Täuschung ist für Chris Timmler ein Schock.
12:0640 Jahre später sind bei einer Ortsbesichtigung der einstigen Psychiatrie in Leipzig-Dösen die Erinnerungen sofort wieder da.
12:14Auf dem Gelände einer ehemaligen Heilanstalt entsteht 1952 ein Fachkrankenhaus.
12:23In den 2000er Jahren werden viele der alten Gebäude stillgelegt.
12:27Guck mal, das ist so ein Netz. Das hatten wir noch. Da war bei uns die Frau Fischer drin. In so einem Netz.
12:35Das ist furchtbar. Die ist hier durch dieses Netz mit Löffeln sozusagen dann gefüttert worden.
12:40Bei uns waren drei Frauen da drin. Das war, wenn du das so als junges Mädel das erste Mal gesehen hast,
12:46es war 22 Frauen, die in so einem Netz drin waren und am Bett oben und unten angebunden.
12:51Und dann wurden die durch diese Löcher mit Löffeln sozusagen gefüttert. Die durften auch nicht raus.
12:55Und oben wurde das Netz so hier so zugefädelt.
13:00Die familiäre Einengung und Gewalt, der Chris Timmler entfliehen wollte, holt sie in der Psychiatrie wieder ein.
13:08Gefängnisartige Räume, um aufgebrachte Patienten zu isolieren und zu bestrafen, gehören auch in Leipzig-Dösen zum stationären Alltag.
13:17Hinten waren dann nur noch diese Isolierung, die Zelle, wo dann die Frauen reingekommen sind, wenn sie randaliert haben, aggressiv waren oder eben mal zur Strafe.
13:34Dann wurden die auch schnell mal an der Haare gezerrt und den ganzen Korridor bis hinterher in die Zelle gezogen und dann rein.
13:42Die Ärzte der Psychiatrie diagnostizieren bei Chris Timmler eine Schizophrenie.
13:52Ich kannte meine Nummer 295. Also wenn mich jemand gefragt hat, habe ich gesagt, ich habe die 295.
14:01Die 295 ist praktisch zu DDR-Zeiten die Zahl der Diagnose gewesen. Da stand aber nicht Schizophrenie.
14:09Und das habe ich ja erst später erfahren, dass ich eigentlich Schizophren wäre.
14:18Therapie erlebt die junge Leipzigerin wie viele Patienten vor allem in Form intensiver Medikation.
14:26In den 60er Jahren verändern neu entwickelte Psychopharmaka die Psychiatrie im Westen.
14:33Mit nur kurzer Zeitverzögerung produziert die DDR entsprechende Präparate nach.
14:41Der hohe Medikamenteneinsatz ersetzt fehlendes Personal.
14:46Da kam kaum ein Arzt. Die kamen dann mal vorbei, haben in die Akten geguckt.
14:51Wenn ein Patient unruhiger war, aus welchen Gründen auch immer, wurden Medikamente hochgesetzt oder abgesetzt.
14:58Ärztliche Anweisungen oder unliebsame Nebenwirkungen von Medikamenten muss Chris Timmler ohne Aufklärung oder Einspruchsmöglichkeiten hinnehmen.
15:10Das Krankenhaus in Leipzig-Dösen hat, wie viele psychiatrische Kliniken, die schon zwischen 1939 und 1945 auf deutschem Boden existierten, ein schreckliches Erbe zu tragen.
15:28Während der NS-Zeit wurden an Orten wie diesen mehr als 200.000 psychisch kranke und behinderte Menschen ermordet.
15:39Allein in der Pflegeanstalt Leipzig-Dösen wurden mehr als 500 Kinder getötet.
15:45Wir haben zunächst so ab 46 bis Ende der 40er Jahre einige NS-Prozesse gegen Ärztinnen, Ärzte, Pflegepersonal, die in die Tötung von psychisch krankender NS-Zeit involviert waren.
16:01Aber dann wich das einerseits so einer Art Schlussstrich-Mentalität, aber andererseits auch einen gewissen Pragmatismus, weil man ja das Personal auch irgendwo brauchte.
16:15Viele kamen wieder in ihre früheren Positionen.
16:21Nach seinem Studium beginnt Otto Bach 1960 seine Arbeit an der Universitätspsychiatrie in Leipzig.
16:31Er gehört zu einer jungen, neuen Generation von Psychiatern.
16:36Ärzte sind nach Kriegsende rar im Osten.
16:40Mehr als 8000 Mediziner verlassen die DDR allein bis zum Mauerbau.
16:46Da gab es ja großen Wandel. Ich zum Beispiel bin Psychiater geworden in drei Jahren, weil man froh war, wenn sich einer entschied, Psychiater zu werden.
16:56Ich kann mich noch an eine Klinik erzählen, die hat ein Freund von mir, hat dort gearbeitet.
17:04Da war der Chefarzt und ein junger Pflichtassistent der einzigen Ärzte in einem Ding von vielleicht 1000 Patienten.
17:12Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen, die in der Leipziger Psychiatrie und anderswo während der NS-Zeit begangen wurden, erfolgt, wenn überhaupt, erst in den 80er Jahren.
17:26Und oft geschieht sie nur auf die Initiative Einzelner hin.
17:29Die Aufarbeitung hat im Westen so Mitte der 70er Jahre angefangen und in der DDR hat die Aufarbeitung vielleicht Anfang der 80er Jahre begonnen.
17:45Wobei dann die Ideologie die war, wir sind das antifaschistische Deutschland, bei uns hat es sowas nicht gegeben und im Westen sind die ganzen Alten noch an der Macht.
17:56Also das wurde dann natürlich auch politisch gefärbt.
17:59Auch der Blick auf die Ursachen psychischer Krankheiten ist ideologisch geprägt.
18:05Seelische Leiden, Suchtkrankheiten oder Suizide auch auf gesellschaftliche Zustände zurückzuführen, wird als überkommene bürgerliche Sichtweise kritisiert.
18:15Der Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol in der DDR, gerade in den 80er Jahren, hatte ja weltweit Spitzenwerte.
18:21Und auch die Suizidrate in der DDR war einer der höchsten weltweit.
18:26Und das könnte natürlich politischer Sprengstoff sein.
18:29Warum sollten sich Menschen umbringen in einer so schönen Gesellschaft, wie es in der DDR propagiert wurde?
18:37Oder warum griffen denn so viele dann zur Flasche?
18:41Das passt ja nicht ins Bild.
18:43Staatliche Tabuisierungen und Ausgrenzungen verstärken die Mauern zwischen Psychiatriepatienten und Gesellschaft.
18:52Wir kriegten ja die Auflage, dass wir zur Leipziger Messe Patienten nicht entlassen dürften.
19:00Da haben wir uns dagegen gewehrt und wir haben uns nicht danach gerichtet.
19:04Der Staat war der Meinung, es könnten ja dann Leute Aufruhr hervorrufen oder könnten frei ihre Meinung sagen,
19:12weil sie enthemmt sind und krank sind und gewissermaßen einen falschen Eindruck hervorrufen oder irgend sowas.
19:20Auch an sozialistischen Feiertagen oder bei Staatsbesuchen gibt es für die Psychiatrien die Anweisung,
19:27Freigang, Urlaub oder Entlassungen zu verhindern.
19:34Trotz vieler Widerstände versuchen engagierte Ärzte schon früh die Psychiatrie in der DDR zu reformieren.
19:40Im Frühjahr 1963 treffen sich Psychiater aus ganz Europa im sächsischen Rodewisch.
19:48Die Hauptforderungen der Mediziner?
19:51Kein Patient wird aufgegeben.
19:53Optimale Therapie ist nur unter optimalen Bedingungen möglich.
19:59Den Aufbau einer umfassenden Nachsorge und gesellschaftlicher Integration.
20:04Also es war schon ziemlich frühzeitig ein revolutionärer Versuch, das muss man sagen.
20:11Und auch die Ansätze sind, wenn man so will, bis heute modern geblieben, auf jeden Fall.
20:18Doch staatliche Instanzen und eine einflussreiche Gilde von Chefärzten unterstützen die Reformkonzepte nicht.
20:26Sie fürchten den Verlust gewohnter Privilegien.
20:28Es fehlte auch an kritischer Öffentlichkeit, die hier ihrerseits Druck machen konnte.
20:36Und es fehlten, das ist auch natürlich relevant, personelle und ökonomische Mittel.
20:41Also letztlich fehlten die Ressourcen, um das auch flächendeckend umsetzen zu können.
20:45Der Psychiater Hermann Elgeti arbeitet in den 80er Jahren in der Universitätspsychiatrie von Hannover.
20:56Elgeti hat sich intensiv mit der Geschichte der Psychiatrie in beiden deutschen Staaten auseinandergesetzt.
21:01Das ist kein großer Unterschied gewesen. Also bis weit in die 60er, manchmal bis in die 70er Jahre, war die Anstaltspsychiatrie in Ost- und Westdeutschland vergleichbar.
21:16Vor allen Dingen hat man meistens gar nichts gemacht, hat sie nur sozusagen herausgeholt aus der Gesellschaft.
21:23Das ist in Osten wie in Westen ganz ähnlich gewesen.
21:27Während sich im Osten wenig bewegt, treibt die öffentliche Empörung, die Psychiatrie im Westen Mitte der 70er Jahre zu reformen.
21:40Dieses Buch von Frank Fischer, Irrenhäuser, kranke Klagen an, das ist eingeschlagen wie eine Bombe.
21:46Da hat die Zeit drüber berichtet, da haben Tageszeitungen drüber berichtet.
21:50Und das war ein Skandal. Und darauf hat die Politik reagiert.
21:55Wohnheime, Werkstätten, ambulant betreutes Wohnen, Tagesstätten, Kontaktstellen, Beratungsstellen, sozialpsychiatrische Dienste, Institutsambulanzen.
22:07Da ist eine Menge entstanden.
22:10Davon konnte Lothar Tietke in Stralsund nur träumen.
22:14Als er 1982 aus der Psychiatrie entlassen wird, hätte ihm mehr Unterstützung möglicherweise helfen können, wieder zurück ins Leben zu finden.
22:24Doch er verliert seinen Arbeitsplatz, Freunde distanzieren sich.
22:291984 wird Lothar Tietke zur Volksarmee einberufen.
22:34Nachdem er gegen schikanöse Ausbildungspraktiken rebelliert, entlässt man ihn aus dem Armeedienst.
22:39Erneute Vorwürfe der Familie stürzen ihn in ein tiefes Loch.
22:46Da war ich in dieser Situation, dass ich zu Hause gesessen habe.
22:50Es hat sich mit mir keiner mehr unterhalten.
22:52Ich hatte eine Straße und wie gesagt, ich war auf einmal abgemeldet.
22:55Ich hatte da richtig eine Tiefdepression, wo ich dann auch keinen Ausweg gesehen habe.
23:00Ich hatte auch keinen, den ich mich anvertrauen konnte. In der Familie nicht. Keinen.
23:05Ich wusste nicht, wo die Salzsäure herkommt. Die stand auf einmal da.
23:10Und dann habe ich die Salzsäure genommen und habe ein bisschen was getrunken davon.
23:15Aus Verzweiflung springt der 25-Jährige aus der Wohnung im zweiten Stock.
23:21Mit viel Glück bleibt er unverletzt.
23:24Danach findet er sich im Bezirkskrankenhaus Stralsund-West wieder.
23:28Für Lothar Tietke ist seine Aktion ein Hilferuf.
23:34In der Psychiatrie erhält er, wie schon nach der Ersteinweisung, eine Elektro-Krampfbehandlung.
23:42Bis heute ist der Versuch, mit dosierten Stromstößen Hormonausschüttungen im Gehirn auszulösen, eine anerkannte Therapie.
23:51Für mich war LKB-Behandlung das Grauen.
24:00Also da nimmt dir einer dein Leben, hatte ich das immer so empfunden.
24:06Danach musst du erst mal wieder durch dein Umfeld, durch die Patienten, die mit dir auf Station sind, fragen, was eigentlich war.
24:14Du hast also, es ist erst mal für lange Zeit so, bestimmte Erinnerungen sind ausgelöscht.
24:19Ja, du kommst erst mal wieder wie auf einen fremden Planeten.
24:27Damals haben Patienten kaum rechtliche Möglichkeiten, psychiatrische Behandlungen zu verweigern.
24:33Das war in der Bundesrepublik lange Zeit nicht anders.
24:381968 wird in der DDR ein Einweisungsgesetz verabschiedet.
24:44Demnach können ärztliche Klinikleiter einen Zwangsaufenthalt in der Psychiatrie für sechs Wochen veranlassen.
24:52Nach drei Tagen muss jedoch die Zustimmung des Kreisarztes eingeholt werden.
24:58Patienten steht auf dem Papier ein Widerspruchsrecht zu.
25:01Ich wusste gar nichts. Man hat mich auch nicht aufgeklärt, man hat ja mir nicht gesagt, was ich gerechte.
25:06Ich hatte keine Rechte. Ich musste da so funktionieren, wie die mich behandelt haben, in Anführungsstrichen.
25:13Ich denke, dass das in vielen Psychiatrien, und ich sage, das ist nicht nur DDR-typisch gewesen,
25:20in den 70er Jahren üblich war, dass dann über den Kopf des Patienten entschieden wurde.
25:28Das war in der damaligen Zeit stärker und irgendwo auch stärker verankert in den Köpfen der Behandlung.
25:37Bei seiner ersten Einweisung gab Lothar Tietkes Vater an, sein Sohn leide unter Verfolgungswahn.
25:43Für die behandelnde Ärztin war Lothar lediglich eine unreife Persönlichkeit und sein Selbstmordversuch vorgetäuscht.
25:56Kurze Zeit später erfolgt jedoch überraschend eine zweite Diagnose.
26:01Dabei hatte die Staatssicherheit ihre Hand im Spiel, glaubt der Strahlsunder heute.
26:08Und zwar wurde die ausgestellt von zwei Personen außerhalb des Krankenhauses fest.
26:18Und die haben vom Schreibtisch aus gesagt, ich wäre paranoid schizophren.
26:26Ich habe die nie gesehen. Die waren auch unbekannt. Die kannte keiner je.
26:31Der Traum des gelernten Schiffbauers war es, zur See zu fahren.
26:40Zweimal wird sein Antrag auf eine Seemannskarte, Voraussetzung für die Arbeit auf dem Meer, abgelehnt.
26:48Lothar Tietke wird von der Staatssicherheit unterstellt, er wolle fliehen.
26:52Vor allem diese grundlosen Verdächtigungen und Gängelungen durch den Staat macht der damals 23-jährige Lothar Tietke für sein impulsives Verhalten verantwortlich.
27:07Ich habe mich hingestellt und habe Reisefreiheit und Berufsverbot und solche Dinge habe ich alle in den Mund genommen.
27:14Ich war ja auch nicht zur Wahl. Das habe ich begründet, warum ich nicht zur Wahl gehe, von ungefähr 20 Jugendlichen auf dem Zellplatz.
27:22Lothar Tietkes Vater ist Marineoffizier und SED-Mitglied.
27:27Das Ministerium für Staatssicherheit führt ihn als gesellschaftlichen Mitarbeiter unter dem Decknamen Kästner.
27:36Mit der Behauptung, Lothar leide unter Verfolgungswahn, wollte Vater Harry Tietke sich politisch entlasten, vermutet sein Sohn.
27:44Er hat seinem Führungsoffizier über meine Nichtwahl berichtet, über andere Sachen, hat auch gesagt, ich wäre geisteskrank, was ja auch wichtig war für ihn aus seiner Sicht.
27:57Wer geisteskrank war, hatte ja eine Handfreiheit.
28:00Nach dem Mauerfall kochen Spekulationen über das Verhältnis zwischen Staatssicherheit und der Psychiatrie hoch.
28:09Wurden unliebsame Kritiker in Anstalten abgeschoben und so mundtot gemacht?
28:14Dafür, dass politische Dissidenten als psychisch krank erklärt wurden, also eine Diagnose bekamen und gegen ihren Willen dann weggesperrt wurden und vielleicht auch behandelt in Anführungsstrichen wurden.
28:25Dafür gibt es bis heute keine sicheren Hinweise auf so einen systematischen politischen Missbrauch.
28:37Doch die Beziehungen zwischen der Staatssicherheit und der Psychiatrie sind eng und intensiv.
28:44In den Psychiatrien der DDR ist die Zahl der Stasi-Mitarbeiter mehr als doppelt so hoch wie in anderen medizinischen Bereichen.
28:52Das ist ein sehr interessanter Fakt. Also es sind Ärzte drei bis fünf Prozent als IM für die Stasi tätig gewesen.
29:01Bei den Psychiatern vermutet man, waren es etwa acht bis neun Prozent.
29:07Durch die Kooperation wird die ärztliche Schweigepflicht und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient massiv missbraucht.
29:15Für unangepasste Menschen, Freigeister oder Ausreisewillige ist die Psychiatrie eine subtile Drohung und potenzielle Gefahr.
29:26Zu den Weltjugendfestspielen 1973 werden mehr als 23.000 sogenannte labile Personen von der Stasi überprüft.
29:36600 werden vorübergehend in psychiatrische Einrichtungen gesteckt.
29:40Es gibt tatsächlich, denke ich, immer noch offene Fragen, wenn wir über die Psychiatrisierung von Menschen sprechen in der DDR.
29:54Anfang der 70er Jahre öffnet sich die DDR wirtschafts- und sozialpolitisch ein wenig.
30:01Im Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie in Brandenburg-Görden nehmen engagierte Ärzte einen neuen Reformanlauf.
30:08Sie entwickeln das Konzept der therapeutischen Gemeinschaft.
30:13Ziel ist eine partnerschaftlich ausgerichtete Zusammenarbeit zwischen Patienten und Therapeuten.
30:21Traditionelle Hierarchien sollen fallen.
30:24Ich habe nicht nur den Kittel ausgezogen und ich war auch nicht mehr der Halbgott in Weiß.
30:31Ich war nicht mehr derjenige, der alles besser weiß, sondern der über bestimmte Hilfsangebote verfügt,
30:40die der andere annehmen kann, aber auch ablehnen kann.
30:44Und genau so sind wir miteinander umgegangen.
30:48Damals arbeitet Erhard Wicht als Oberarzt in der Abteilung für Soziotherapie.
30:56Es ging letztlich um die Rehabilitation, um unsere Patienten zu befähigen,
31:06wieder außerhalb der Klinikmauern zu existieren, wieder in ihren Beruf einzusteigen,
31:13ein möglichst normales Leben zu leben.
31:16Zu den Ideen, die in Brandenburg-Görden vorangetrieben werden,
31:24gehört die patientenorientierte Weiterentwicklung der Arbeitstherapie.
31:29Eine Therapieform, die schon seit den 20er Jahren existiert.
31:32Seit 1969 ist die berufliche Rehabilitation in der DDR gesetzlich verankert.
31:44Betriebe sind zur Einstellung von psychisch Kranken verpflichtet
31:48und müssen sogenannte Schon-Arbeitsplätze garantieren.
31:54Wie ist das? Arbeitstherapie, ist das wichtig für Sie?
31:57Ja, auf jeden Fall.
31:59Man wird von den Grübeleien, die man sonst hat, ein bisschen abgelenkt.
32:03Macht sich nicht so viele Gedanken.
32:06Aber das hilft einem schon.
32:07Und man muss sich ja vor allen Dingen wieder an den Arbeitsprozess,
32:10der draußen auf einen zukommt, wieder eingewöhnen.
32:13Also einstellen, sagen wir mal.
32:15Alles, was Teilhabe an Arbeit anging,
32:18ist in der DDR sehr viel besser gelaufen als in der Bundesrepublik,
32:23was psychisch Kranke angeht.
32:24Psychisch Kranke wurden weitgehend ausgeschlossen
32:27aus dem Arbeitsleben in der Bundesrepublik.
32:33Doch in der DDR hat die Arbeitstherapie einen zweischneidigen Charakter.
32:39Neben dem Heilaspekt ist sie auch volkswirtschaftlich wichtig.
32:44In der Mangelwirtschaft wird buchstäblich jeder gebraucht.
32:48Patienten arbeiten in staatlichen Betrieben und in den Kliniken selbst.
32:53Sie helfen beim Putzen, bei der Essensversorgung, in den Gärtnereien,
32:59sogar bei der Pflege von Mitpatienten.
33:07Der Psychiater Jan Armbruster aus Stralsund
33:10hat sich intensiv mit der Geschichte der Arbeitstherapie in der DDR beschäftigt.
33:15Es gab einfach immer einen ökonomischen Druck,
33:21der natürlich die therapeutischen Aspekte konterkariert hat.
33:27Und das war natürlich schwierig, weil es auch dann zum Beispiel Entlassungen be- und verhindert hat.
33:32Wenn man sozusagen keinen Patienten hatte, der in bestimmten Aufgaben nachfolgen konnte,
33:37hat man ihn eben erst mal noch behalten.
33:39Den Brandenburger Reformern gelingt es,
33:45einige Impulse für mehr Selbstbestimmung zu setzen.
33:49In einem Schulungsfilm wird für die Integration psychisch kranker Menschen geworben.
33:55Den Alltag der Patienten in den Großanstalten
33:59kann die Brandenburger Reforminitiative jedoch nicht verändern.
34:03Die Arbeit als Stationshilfe, das Gefühl gebraucht zu werden,
34:13hilft Chris Timmler, den Klinikalltag zu überstehen.
34:171983 wird sie schwanger.
34:20Es wird behauptet, ihr Nachwuchs würde schizophren geboren.
34:24Man lässt ihr keine Wahl.
34:27Das Kind wird abgetrieben.
34:29Nach der Interruption hat eine andere Ärztin gesagt,
34:32dass das Kind nicht schizophren zur Welt gekommen wäre,
34:36weil ich ja nicht schizophren geboren bin.
34:44Ja, da habe ich mich eigentlich aufgegeben.
34:47Mich und mein Leben.
34:49Also sozusagen.
34:50Es war dann so, dass ich dann versucht habe,
34:53mir das Leben zu nehmen über den Verlust dieses Kindes,
34:57was ich nicht austragen durfte.
34:59Chris Timmler wird in letzter Sekunde gerettet.
35:06Einige Zeit später kommt für ihre beste Freundin Andrea
35:09jedoch jede Hilfe zu spät.
35:11Sie stirbt in einer Isolierzelle.
35:16Ob ein Medikament oder mangelnde Aufsicht dazu führte,
35:19dass sie an Erbrochenem erstickte, wird nie geklärt.
35:22Und ab da habe ich beschlossen, ich nehme keine Medikamente mehr.
35:27Ich nehme keine und habe meine Medikamente.
35:29Ich durfte ja Medizin austeilen mit dem Abendbrot.
35:33Und habe dann mein Blas immer, das so, ne, habe ich gelernt,
35:37wie das ganz schnell dann verschwand in meiner Schürzentasche
35:39oder irgendwo.
35:40Und dann habe ich da ein Vierteljahr gelebt ohne Medizin.
35:44Und nichts, nichts.
35:46Kein, kein Ausraster oder irgendwo.
35:48Und da habe ich gedacht, für was muss ich die denn jetzt nehmen?
35:53Bis 1984 ist auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses in Leipzig-Dösen
35:59auch die Psychiatrie der Universität untergebracht.
36:04Ihr Chef, Klaus Weise, setzt sich für eine menschen-
36:07und sozialorientierte Betrachtung seelischer Probleme ein.
36:11Gespräche sind wichtiger als Medikamente.
36:15Der Klinikleiter kämpft für eine dezentrale und gemeindenahe Psychiatrie.
36:21Um die Rehabilitation der Patienten zu erleichtern,
36:25sollen auch die Familie, Freunde und Nachbarn einbezogen werden.
36:311980 beginnt Thomas Seide auf der Akutstation des Bezirkskrankenhauses
36:35seine Arbeit als Hilfspfleger.
36:37Der Reformgeist der benachbarten Universitätspsychiatrie beeindruckt ihn.
36:44Also in den Stationen über uns wurden keine Kittel getragen und auch keine Titel.
36:49Das heißt also, wenn man Patient dort war und die Chefärztin lief vorbei
36:54und man keine Ahnung hatte, konnte man nicht unterscheiden,
36:58ist das jetzt eine Patientin oder ist das eine Mitarbeiterin.
37:01Die haben also keine Hierarchien gehabt.
37:04Das war dort gelebter Alltag.
37:08Es hat sich also mit brachialer Gewalt, kann man fast sagen,
37:12den Betroffenen zugewendet und sich offen gemacht.
37:16In der Art und Weise, die hat mir schon Atem genommen.
37:20Dem Leiter der Universitätspsychiatrie,
37:24SED-Mitglied und überzeugter Kommunist,
37:26werden von Partei und Staat Freiräume zugestanden.
37:33An der grundsätzlichen Misere der Großanstalten ändert sich jedoch nichts.
37:431987 lernt Lothar Tietke seine spätere Frau Birgit kennen.
37:48Nach einem erneuten Klinikaufenthalt bekommt er 1990 einen neuen Job als Hausmeister.
37:57Tochter Lina wird geboren.
38:00Ein Glück, das die beiden nur durch die Unterstützung einer Ärztin
38:03aus dem Strahlsunder Krankenhaus West erleben.
38:07Von meiner Familie wurde immer gesagt,
38:09du bist krank, du hast eine Erbkrankheit.
38:11Das hat man uns alles eingeredet.
38:12Und da sind wir beide hochgefahren zum Krankenhaus.
38:14Und sie hat gesagt, sie haben keine Erbkrankheit.
38:18Sie können gut und gerne ein Kind kriegen.
38:20Und da haben wir uns beide gefreut.
38:22Und dann war sie auch am 10.09.1990 geboren.
38:26Einwandfrei.
38:29Lothar Tietke will mit der Vergangenheit abschließen.
38:33Er räumt schwere seelische Krisen ein.
38:36Doch mit der Diagnose paranoide Schizophrenie
38:40kann und will er sich nicht abfinden.
38:42Vor mehr als 10 Jahren bestätigten 2 Psychiater,
38:48dass diese Diagnose zweifelhaft ist.
38:51Bislang kämpft Lothar Tietke jedoch vergeblich vor Gerichten
38:54um seine Rehabilitierung.
38:56Mir wurde was aufgezwungen.
38:59Ich habe nicht gesagt, ich bin hier paranoide Schizophrenie.
39:03Das hat man mir, diese Diagnose hat man mir angehangen.
39:06Wenn man so eine angehangende Diagnose hat,
39:09das kann man nicht einfach runterschlucken und sagen,
39:13jetzt ist das Ding beendet hier.
39:14Das geht nicht.
39:15Das will man aufgearbeitet haben.
39:17Und v.a. will man sein Recht bekommen.
39:21Das ist ganz wichtig für mich.
39:25Mehr als 30 Jahre nach dem Fall der Mauer
39:28ist die Psychiatrie in der DDR für viele Betroffene
39:32keine abgeschlossene Geschichte.
39:35Der Psychiatrie-Forscher Eckehard Kumbier
39:38zieht ein ambivalentes Fazit.
39:40Es gab eine Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen.
39:46Und die hat funktioniert.
39:48Nicht immer ideal, aber die hat funktioniert.
39:51Also eine Gesellschaft wird ja u.a. auch daran immer gemessen,
39:55wie sie mit den Schwächsten in ihren Reihen umgeht.
39:59Und da hat die DDR in meinen Augen dann auch als Gesellschaft versagt
40:03und ist in ihren Ansprüchen definitiv zurückgeblieben,
40:07die sie an sich selbst ja auch gestellt hatte.
40:09Dass Menschen geholfen werden konnte,
40:13hat v.a. mit einer engagierten Ärzteschaft
40:16und motivierten Pflegekräften wie Marika Kahle zu tun.
40:21Warum ist sie trotz vieler Tränen bis heute auf Station geblieben?
40:25Ich kann mit psychisch Kranken arbeiten.
40:27Das ist das, was ich gut kann. Bis heute noch.
40:31Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich woanders arbeiten würde.
40:35Für Thomas Seide war die Arbeit als Pfleger eine prägende Lebenserfahrung.
40:44Er hat sich nach 1989 weiterhin für seelisch kranke Menschen eingesetzt.
40:51Heute ist der Psychologe Psychiatrie-Koordinator der Stadt Leipzig.
40:57Eigentlich braucht es keine Psychiatrie.
41:02Und wenn es uns gelingt, sozusagen diese, also natürlich, das ist ja eine verrückte Utopie, ja.
41:10Aber es braucht eigentlich keine menschliche Begegnung, Gespräche miteinander da sein,
41:15füreinander da sein, für den anderen einstehen, wie wir das aus unseren Familien ja alles kennen.
41:22Das könnte vieles ersetzen, könnte vieles möglich machen.
41:27Und das ist so ein bisschen, da schließt sich der Kreis übrigens zur DDR-Psychiatrie.
41:31Wenn wir die Tür aufmachten, war es ganz anders menschlich.
41:34Und es ist möglich.
41:35Und das machen Menschen, ja.
41:37Auf die kommt es an.
41:381990 beginnt für Chris Timmler der Weg zurück ins Leben.
41:46Mit einem Patientenurlaub.
41:49Mitarbeiterinnen der Psychiatrie ermutigten die 30-Jährige dazu.
41:53Kurze Zeit später sieht sie eine Psychiatrie zum letzten Mal von innen.
41:59Und da war ich bei einer Frau Huth.
42:00Und als sie mich entlassen wollte, hat sie gefragt,
42:03was schreibe ich denn auf dem Krankenschein? Schizophrenen sind sie nicht?
42:06Ich sage, sie sind die Ärztin. Das kann ich ihnen nicht sagen.
42:14Jahrelang kämpft Chris Timmler mit den Folgen der Hospitalisierung.
42:19Einer seelischen, geistigen und körperlichen Entmündigung.
42:24Sie will keine Abrechnung und keine Entschädigung.
42:28Ich sehe es für mich jetzt immer positiv.
42:30Ich jammer derzeit nicht mehr hinterher.
42:33Ich sage, ich habe jetzt mein Leben, ich habe meine Freiheit bekommen.
42:36Mit der Wende sind zwei Mauern gefallen, die von Dösen und die von der DDR.
42:42Und ich mache jetzt nicht mehr Vergangenheitsbewältigung oder dies oder jenes,
42:46weil ich lebe jetzt und hier.
42:51War Chris Timmler einfach nur allein und ohne Hilfe,
42:55als sie in die Mühlen der Psychiatrie geriet?
42:57Hätten mehr Freiheit und Toleranz Lothar Tietke einen anderen Lebensweg erlaubt?
43:06Dass ihre Erfahrungen wahrgenommen, ihnen zugehört wird,
43:10ist für sie ein ermutigendes Zeichen.
43:13Und ich mache, was ich les means extrallieren,
43:16nicht mehrmals nach der Zellen von Dürfen.
43:18Auch noch immer miche Kaysp 보여der aufosos derechos für sie,
43:20mit dem Lothar Tietke einen anderen holz.
43:22Ich gebe esоры, was der muss sie cashier gab.
43:24Als sie 하atamente einiger Jude und Familie qui Interesse beant cilantro ist,
43:27ist für sie die Unstelle und Thailand,
43:29wie Lothar Tietke eine gute diferer تлед splashing um unseres Wenden desperate.
43:31Untertitelung des ZDF, 2020

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