- vorgestern
Kategorie
🎵
MusikTranskript
00:00Es war ein schlechter Tag am Hof des Dynasten.
00:12Seit Unas auf der Ruine der Akrops zurückgekommen war, hat es keine guten Tage mehr gegeben, aber der heutige war besonders schlecht.
00:21Die Delegation von Megoshta hatte gerade den Thronraum verlassen. Dort, wo sie vor dem Podium gestanden haben, schimmert noch immer Strahlung.
00:29Das ist der fünfte Besuch, an dem sie das sehr großzügige Darlehen des Feron von Thogt an den Dynasten besprochen haben.
00:38Besser gesagt, haben sie einen Zeitplan für die Rückzahlung angesprochen, wodurch Unas' Stimmung sich noch mehr verfinstert hat als sonst.
00:47Unas sitzt eingesunken in seinem Thron, die Gesichtsplatte gegen eine geballte Faust gelehnt, während er mit wortlosem Starren alle weiteren Bittsteller abweist.
00:57Wie immer sind zwei Gruppen von je zehn Lütschgardisten an seinen Seiten, ihre Dispersionsschilde bereit.
01:04Vor dem königlichen Sitz stehen die zwei kleineren Throne der königlichen Ratgeber.
01:09Natürlich sitzt Dioseras auf einem Thron, doch den anderen, der einst Oltöksitz gewesen ist, nimmt nun dieser Speichellecker Hemion ein, der seine übliche überhebliche Selbstzufriedenheit ausstrahlt.
01:23Dieser Scharlatan von einem Onkomanten, der nun fälschlich von sich behauptet, ein Kryptech zu sein, ist noch nutzloser als sonst für den Dynasten, wenn das überhaupt möglich ist.
01:36Die offenen Wunden des Königs sind schon lange unter Gold verschwunden.
01:41Was auch immer für eine esoterische Krankheit an ihrer Stadt von Unas' Besitz ergriffen hat, Hemion scheint sie zu nähren.
01:48Oltöks selbst ist zur Rolle eines Saaldieners herabgestuft worden.
01:53Er rennt immer wieder in die Vorkammer, um dort die Bittstelle zu empfangen, ehe er sie dem Dynasten präsentiert.
01:59Es ist eine undankbare Aufgabe, denn wenn Unas eine Delegation missfällt, was auf beinahe jede von ihnen zutrifft, dann wird Oltöks dafür wie ein Diener gescholten, der schwefelosen Wein serviert hat.
02:13Es tut weh.
02:14Unas ist einst großherzig und freigiebig gewesen, auch was seine Zuneigung betraf.
02:20Obwohl er schon immer Djoseras bevorzugt hat, wie es im Falle eines Königs und seines älteren Sohnes auch richtig ist, hat Oltöks nie unter mangelnder Aufmerksamkeit gelitten.
02:32Selbst nach dem Biotransfer ist dieser noble Zug nie schwächer geworden, aber seit dem Krieg, seit Sokar, hat Unas sich verändert.
02:41Nach dem langen Schlaf ist es nur schlimmer geworden.
02:44Alle Frohsinn, aller Witz sind aus ihm gewichen, so als würde sein Kern von etwas im Bann gehalten werden, das ihnen allen verborgen geblieben ist.
02:54Was von seiner einstigen Größe übrig ist, zeigt er ebenso sparsam wie seinen Willen, seinen Reichtum zu teilen.
03:02Wann immer er sich zu einer Demonstration von Zuneigung durchringen kann, beschränkt es sich auf Djoseras.
03:07Djoseras wird stets nur abschätzig betrachtet, wenn er überhaupt anerkannt wird.
03:15Er steht jetzt an der Tür der Vorkammer und versucht, den Mut aufzubringen, Unas anzusprechen.
03:21Djoseras sucht den Blick seiner Okulare und schüttelt langsam den Kopf, denn der Kühnerz sieht nicht gerne, wie sein Jüngerer ungerecht gerügt wird.
03:30Ein Warnungsmuster blitzt über die dezente Entladungsmatrix seiner Brust.
03:34Ein privater Code, den sie untereinander benutzen und der sich aus einem ableitet, den Djoseras ersonnen hat, um sich mit geheimen Nachrichten zu amüsieren.
03:44Damals ist er noch sehr jung gewesen.
03:48Er ist bei finsterer Laune.
03:50Macht es nicht schlimmer für euch, indem ihr ihn reizt.
03:54Oltix versteht.
03:56An diesem Nachmittag hat er bereits Granok abgewiesen, der ein Demarch der zweiten Stadt der Kronwelt ist und noch einen Normarchen, der um Unterstützung in einer Krise im fernen Norden gebeten hat.
04:08Aber dieser nächste Bittsteller wird sich nicht abweisen lassen.
04:12Der Bittsteller behauptet von sich, ein König zu sein, auch wenn Oltix aufgrund seines Aussehens erst gedacht hat, es würde sich um einen Verrückten handeln, der irgendwie an der Kohorte der Unsterblichen vor dem Tor vorbeigeschlüpft ist.
04:26Aber genau wie das Abzeichen auf der Brust zeigen auch die Siegel des Bittstellers, dass es sich hier um Lysarg handelt, den Fährern von Orosk.
04:35Das erklärt immerhin, warum Lysarg in derartigem Zustand ist, denn es gehen überall Gerüchte herum, dass die Dynastie von Orosk in großen Schwierigkeiten sei.
04:45Es ist schwer, zwischen all den Gerüchten am Hof die Wahrheit zu finden.
04:50Doch begreift Oltix, dass Orosk unter demselben Fluch leidet, der sich auch bereits in den tiefsten Gräben von Ithakas zu zeigen beginnt.
04:59Der Fluch wird immer nur heimlich angesprochen.
05:02Es ist sicherlich nichts, was man vor dem Hof vorbringt, oder gar vor dem Dynasten.
05:09Aber Lysarg ist stur geblieben.
05:11Lysarg ist tatsächlich so verzweifelt, dass er eher seine Zerstörung riskiert, als zu gehen, ehe er Unas gegenübergetreten ist.
05:20Oltix hat lange versucht, Lysarg vorzuschicken, aber schlussendlich hatte ihn eine einzige Phrase umgestimmt.
05:27»Sag, Unas, ich will die Übereinkunft von Sokar besprechen.«
05:34Lysarg erfüllt ihm diesen Wunsch, aber er schämt sich für das Zittern in seiner Stimme.
05:40Die Wut, die er von dem Dynasten erwartet, bleibt jedoch aus.
05:45Stattdessen scheint ein unbekanntes Licht in Unas' Okularen auf, welches er nicht zuordnen kann.
05:50Irgendwie weiß Oltix, dass er dieses Licht eines Tages als Furcht zu erkennen lernen wird.
05:58Lysarg tritt in den Thronraum, um vor Unas' zu sprechen.
06:02Es ist eine harte, schnell geführte Konversation, so intim wie zwischen zwei Liebhabern, aber ohne jegliche Zuneigung.
06:11Ihre Diskussion ist hinter blumigen Worten verborgen.
06:14Ein Kampf wird erwähnt, der nie erklärt wird, mit Waffen, die sie nicht beschreiben, gegen einen Feind, den sie zu benennen vermeiden.
06:22Im Thronraum ist es eisig still geworden, selbst die Fürsten, die sich in den Kreuzgängen drängen, sind still geworden und lauschen gefesselt dem Gespräch.
06:33Endlich bringt Lysarg seine Bitte vor.
06:35»Orosk liegt im Sterben«, so sagt er. »Er krankt an einer Seuche, die nicht aufgehalten werden kann.«
06:42Er bittet Unas' um Hilfe, erst im Namen der Einheit der Triarchie, dann im Namen des Eides von Sokar.
06:49Als diese Worte fallen, erstarrt Unas. Sämtliche Unruhe ist verflogen, als er sich wie ein zum Sprung bereites Raubtier nach vorne lehnt.
06:59Die Worte des Dynasten klingen nun klar und eisig, wie das Sternenlicht über der Wüste.
07:04»Verlasst meinen Hof, solange ihr es noch könnt, Lysarg. Noch ehe ein weiteres Wort gesprochen wird.«
07:11»Und wohin?«, schreit der Färon endlich von Verzweiflung zerrissen.
07:15»Orosk wird ohne eure Hilfe in wenigen Jahren überrannt werden.«
07:19»Die anderen Eiträger sind ihm bereits zum Opfer gefallen. Nur wir verbleiben noch.«
07:24»Ihr mögt vielleicht mit dieser Weigerung für den Moment noch eure Stärke bewahren können, Unas. Aber es wird nicht mehr ewig dauern.«
07:31»Wir mochten nicht wissen, wohin der Weg uns geführt hat. Aber wir sind in dem Wissen aufgebrochen, dass es für uns keine Umkehr mehr gibt.«
07:38Unas bleibt still. War das etwa ein kleines Aufblitzen von Reue in den Okularen des Dynasten, da Lysarg seine Milde abgelehnt hat?
07:49Wie dem auch sein mag, das Schicksal des Färon scheint nun besiegelt. Vielleicht weiß er es, vielleicht nicht.
07:56Vielleicht ist er einfach zu verzweifelt, als dass es ihn noch berühren würde.
08:00Also spricht er weiter.
08:02»Es gibt kein Zurück, Unas. Lasst Orosk sterben, wenn ihr müsst. Und versteckt euch vor der Vergangenheit. Aber sie wird euch ebenso finden wie mich.
08:11Ithakas wird schlussendlich auch fallen. Und auch eure Zeit wird kommen. O Unas, der Aufgestiegene, der Verschlinger der Götter.«
08:22Der magere Färon spuckt diesen Namen wie einen Fluch aus, als würde er damit eine tiefe, bittere und unglaublich schwerwiegende Schwärze aus seinem Kern entleeren.
08:31Auch wenn es in den weiten, unbeleuchteten Ecken zu einem verklingenden Echo wird, verklingen die Worte doch nicht ganz.
08:39Oltix hat merkwürdigerweise das Gefühl, dass sie nie mehr verhallen werden.
08:44Es dauert lange, bis Unas eine Antwort gibt. Aber er gibt sie schließlich noch immer ohne den gewöhnlichen Zorn, den man erwartet hätte.
08:51Da ist nur eine große Trauer in seiner Stimme, als er leise die Anweisung gibt, den Färon hinzurichten.
08:59Auf seiner Position neben der Tür zum Thronraum kann Oltix Lysaks Gesichtsplatte nicht sehen,
09:06aber der Färon hält sich aufrecht und stolz, als die Lüchgardisten herantreten und ihn umzingeln.
09:12Wie die Flügel eines Jagdvogels schließen sich die zwei Abteilungen Lüchgardisten zu einem Kreis um den Färon.
09:19Ihre Schilde verdecken den Todesstoß vor Oltix Augen und lediglich Unas sieht zu, wie er zum letzten Eiträger von Soka wird.
09:28Als es getan ist, ordnet der Dynast mit einem Blick auf den Hof an, dass alle Anwesenden die letzte Stunde aus ihrem Gedächtnis zu streichen haben.
09:38Dann lässt er seinen Kopf hängen und starrt scheinbar durch den Boden der Welt.
09:43Oltix zeigt, wie alle anderen auch, Einwilligungsmuster, doch ist es in seinem Fall lediglich eine Imitation des Befehls.
09:51Sein existierendes N-Gramm-Paket ist versiegelt, wie der Dynast es befohlen hat, aber es ist lediglich als verdammt markiert.
09:59Es ist eine Fälschung, die einer Inspektion standhalten würde, aber es würde nie inspiziert werden.
10:07Wer in ganz Itakas würde sich schon weigern, dem Dynasten zu gehorchen?
10:11Aber jetzt hebt Unas den Kopf wieder und zieht Oltix direkt in die Okulare.
10:18Weiß er es? Hat er seinen verabscheuten Erben etwa dabei erwischt, wie er Verrat begeht?
10:24Das Licht im Thronraum verblasst, das Gold von Unas Körper verdunkelt sich, die Kammer wird leerer,
10:30so als würden die Lüchgardisten und Fürsten sich einfach auflösen.
10:35Und noch immer starrt Unas ihn an, doch nicht aus seinen Okularen.
10:39Etwas Fürchterliches verschleiert seine Gesichtsplatte.
10:43Der Fürst, der ihn jetzt ansieht, hat zwar die Gestalt des Dynasten, aber das ist nicht länger, was er ist.
10:53»Wer steht da in den Schatten?«, sagt eine Stimme vom Thron her.
10:58Wie Öl breiteten sich die Worte in dem zerstörten Raum aus.
11:02»Tritt vor, Schatten, und stelle dich meinem Blick!«
11:07Aber Oltix ignorierte die Stimme, die noch aus dem Tagtraum herüberzukommen schien,
11:12denn er war zu beschäftigt mit dem, was er gesehen hatte.
11:16Er hatte nie bemerkt, wie sehr seine Obsession mit dem Dynasten Unas' Aussehen in seinen Erinnerungen
11:22über die vergangenen Jahre verzerrt hatte.
11:25Für ihn war Unas zu einer hoch aufragenden, allmächtigen Gestalt geworden,
11:29die Gesichtsplatte zu einem konstanten, grausamen Grinsen verzogen,
11:33mit einem Thorax mit überwältigend breiten Schultern und grell wie ein Solarofen,
11:39aus dem gezackte Klingen herausstachen.
11:42Aber im Tagtraum hatte er so viel kleiner gewirkt.
11:46Vielleicht war er kaum größer als Oltix gewesen, wenn überhaupt,
11:50und die Klingen waren wenig mehr gewesen als kleine Zierdornen aus Gold.
11:54»Wie konnte ich mich nur so irren, wo ich doch jeden Tag an ihn gedacht habe?«
12:01fragte Oltix sich.
12:03»Eben weil ihr jeden Tag an ihn gedacht habt«, erwiderte Doktrin.
12:08Oltix musste dieser Einschätzung zustimmen,
12:11denn mit jedem Aufruf der Erinnerung hatte er eine hauchdünne Schicht darüber gelegt,
12:15dünn wie Schilfpapier, bis die Erhabenheit und Grausamkeit des Königs,
12:20der ihn verbannt hatte, geradezu überragend geworden waren.
12:25Doch die Realität hatte ihm gezeigt,
12:27dass Unas zumindest an jenem Punkt in der Vergangenheit geradezu enttäuschend normal
12:32und beinahe schon zerbrechlich war.
12:35Aber auf Kampfes wortloses Signal hin bemerkte Oltix endlich,
12:39dass zwar alles in der Kammer mit dem Ende des Tagtraums verblasste,
12:43aber der Thron noch immer besetzt war.
12:45Dort in der Dunkelheit saß eine Gestalt, die ihn erneut ansprach,
12:51da er die erste Aufforderung nicht beantwortet hatte.
12:55»Trete vor«, sagte Unas.
12:58Seine Stimme war vertraut, aber gleichzeitig auf eine Art schmeichelnd die Oltix verstörte.
13:04»Trete vor und fühle dich gesegnet, dass du ein zweites Mal aufgefordert wurdest.«
13:12Der verbannte Thronerbe trat einen Schritt vor und erblickte endlich seinen Dynasten.
13:18Der Unas der Vergangenheit war, verglichen mit dem Konstrukt seines Geistes,
13:22viel weniger furchteinflößend gewesen.
13:25Und doch hatte ihn der Verfall, den Unas seit Beginn von Oltix Exil durchgemacht hatte,
13:30wahrhaft grotesk entstellt.
13:32Wie die Nekropole um ihn herum war auch Unas hässlich geworden.
13:37Das Gold seiner Panzerung war an den Gelenken mit Schmutz bedeckt und von Flecken durchsetzt,
13:42die merkwürdig schwarz schillerten.
13:45Wenn überhaupt, dann schien der Dynast noch kleiner geworden zu sein,
13:49oder zumindest hatten sich seine Proportionen ungewöhnlich verschoben.
13:53Sein Thorax-Käfig hatte sich zusammengezogen, seine Glieder waren dünner geworden
13:58und die Kabel in seiner Bauchhöhle waren auf doppelte Größe angeschwollen.
14:03Unas bot ein Bild des Hungers.
14:05Er sah aufgedunsen und abgemagert zugleich aus,
14:08was die noch verbleibenden Zeichen seiner einstmaligen Erhabenheit
14:12geradezu finster abartig erscheinen ließ.
14:16Wie Boraka und seine Legionen schon demonstriert hatten,
14:20war die Necrodermis etwas, was geformt werden konnte.
14:24Wie auch die Erinnerungen, die in einem engrammatischen Paket zusammengefasst waren,
14:29konnte die Form der Necrodermis über lange Zeit in winzigen Schritten verändert werden,
14:33bis sie dem Geist angepasst war, der sie trug.
14:36War es daher noch überraschend, dass der Körper des Knauser-Königs derart verkümmert war?
14:42Holtex wollte nicht einmal darüber nachdenken,
14:44seit wie vielen Jahren Unas bereits hinter den Mauern dieser fürchterlichen Hallen existierte
14:48und sich vor den Teufeln versteckte, die auf seinen Straßen tanzten.
14:54Es war schon erschütternd, wie feige diese Erscheinung war,
14:57aber es war noch beschämender zu denken, dass der Dynast nicht etwa mit seiner Stadt gefallen war,
15:03sondern noch immer existierte und Ithakas eine neue Form gegeben hatte.
15:10Wie auch immer diese nun aussehen mochte.
15:12Trete vor, rief der Dynast nun zum dritten Mal, mit einer langsam zunehmenden Unruhe in der Stimme.
15:21Der Verschlinger der Götter wiederholt sich nicht gerne.
15:25Als die verdrehte Gestalt einmal mehr sprach, bemerkte Holtex,
15:29dass er die ganze Zeit schon vermied auf die Gesichtsplatte zu sehen.
15:33Jetzt, da er hinsah, verschwand das Gesicht unter einem Schwarm von Zielauspexen,
15:38die Strategie dort platziert hatte, während sein Fokus auf etwas anderem gelegen hatte.
15:44Vor ein paar Tagen wäre er noch erzürnt darüber gewesen,
15:47einen derartigen Eingriff in seine Wahrnehmung zu erfahren.
15:50Aber jetzt nahm er schlicht an, dass seine Subpartition dies aus gutem Grund getan hatte,
15:56also ließ er alles so.
15:59Es gab schon genug, womit er sich beschäftigen musste.
16:03Als seine Wahrnehmungsmatrix endlich die Worte verarbeitete,
16:05die noch immer durch den Thronraum halten,
16:08ergab alles an dem Tagtraum mit einem Mal Sinn.
16:12Verschlinger der Götter, wiederholte Holtex unruhig.
16:16Doktrin?
16:17Ja?
16:18antwortete die Subpartition mit einer Glüfe der Besorgnis,
16:22die Holtex milde stimmte.
16:24Zum Schutz deiner Musterintegrität bitte ich dich,
16:28dich vollkommen in deine Partition zurückzuziehen
16:31und davon abzusehen,
16:33irgendwelche von außen kommende Telemetrie zu beobachten.
16:36Wie lange?
16:38Das weiß ich ehrlich gesagt nicht.
16:41Aber ich bitte dich darum, nicht hier zu sein.
16:44Doktrin verschwand, gerade noch rechtzeitig,
16:47denn Unas bewegte sich in seinem Thron
16:49und lehnte sich nach vorne,
16:51so als wollte er Holtex in der Dunkelheit besser erkennen.
16:55Die schillernden Flecken seiner Panzerung
16:57stoben mit einem kränklichen Surren auf,
16:59denn es waren Fliegen gewesen,
17:01die die Flecken halbgetrockneten Fleisches auf ihm verdeckt hatten.
17:05Einer der Flecken verhüllte sogar die Hälfte der Thorax-Kartusche,
17:09die auf dem Dynasten das Siegel Ithakas
17:11in seiner vollständigen, heiligen Form zeigte.
17:14Das Siegel beinhaltete jetzt scheinbar auch
17:17einen Haufen abgestandenen Fleischabfalls.
17:20Das wäre selbst für eine Metapher sehr plump,
17:23dachte Holtex bei sich.
17:25Aber es war mehr als das.
17:26Das Siegel repräsentierte mit der Macht des königlichen Hekas
17:30die Integrität der Dynastie
17:32und war dadurch die Dynastie.
17:36Holtex hatte Recht behalten.
17:38Ithakas war gefallen
17:40und mit ihm war auch Unas gefallen.
17:43Was auch immer dieser Verschlinger der Götter war,
17:45es war nicht Unas,
17:47aber musste sich dann noch mit diesem Wesen beschäftigen.
17:50Mit der zwungener Selbstsicherheit in jedem Schritt
17:52kam der Nomarch von Seed
17:54den Aufforderungen der Kreatur endlich nach.
17:57Unter deren prüfenden Blick trat er nach vorne.
18:01Es gab keinerlei Zweifel mehr daran,
18:03der ehemalige Dynast war zu einem Verfluchten geworden.
18:08Holtex fragte sich sogar,
18:10ob noch mehr hinter Unas Zustand steckte
18:12als nur der Fluch,
18:13aber diese Frage würde unbeantwortet bleiben.
18:16Die Ereignisse,
18:17die er während seines Tagtraums miterlebt hatte,
18:20waren schon mysteriös genug gewesen.
18:22Doch jetzt,
18:23da die letzten Nebel verschwanden,
18:25würde er nichts mehr daraus ziehen können.
18:28Der Schatten tritt endlich vor,
18:30hob der Verschlinger erneut an
18:32mit der merkwürdig künstlichen Betonung
18:35eines rituellen Textes.
18:36»Aber welche Natur enthüllt sich jetzt,
18:40da er aus dem Schiff hervorgekrochen kommt
18:43und die Hallen des göttlichen Königs verfinstert?«
18:46»Ich bin Oltöx,
18:49Nomarch von Seed«,
18:50sagte Oltöx,
18:52der in das schwache Licht einer Gauslampe
18:54des Kuppeldachs über ihnen trat.
18:56»Oltöx von Seed«,
18:58wiederholte der Verschlinger,
19:00so als wären ihm diese Worte bekannt
19:02und doch fremd.
19:04Es war, als würde er versuchen,
19:06ihren Charakter zu ergründen,
19:08indem er sie laut murmelte,
19:11so als könnte er daraus Abstufungen
19:13wie bei einem feinen Wein erkennen.
19:16Während der Verschlinger abgelenkt war,
19:17konnte Oltöx nachdenken.
19:20Aber über was?
19:21Einmal mehr fehlte ihm jegliche Richtung,
19:24Oltöx hatte lediglich Pläne dafür gehabt,
19:27wie er mit einem geistig gesunden Unas umgehen
19:30oder wie er nach Unas' Verschwinden handeln könnte.
19:33Es war ihm jedoch nie in den Sinn gekommen,
19:35dass ein Fall eintreten könnte,
19:37in dem Unas von einem Ghul ersetzt worden war,
19:41der sich für eine Art Gott hielt.
19:44Es sah wohl ganz so aus,
19:46als wären Kampfshoffnung auf Königsmord
19:48nicht so weit hergeholt,
19:51wie er es einmal gedacht hatte.
19:54Jetzt sah er auch,
19:55dass der Verschlinger der Götter nicht allein war.
19:57Wie an dem Tag des Traums
19:59standen zwei Verlangtsen der Lütschgardisten bereit,
20:03doch von den 1,20 waren nur noch zwölf übrig.
20:07Die Flügel des Throns erinnerten nicht länger
20:09an die schimmernden Schwungfedern eines Greifvogels,
20:12sondern mehr an einen Aasvogel,
20:14der sich an einem Leichnam überfressen hatte.
20:16Die Gardisten waren auch verkommen.
20:19Die einst stramme Haltung war verkrümmt,
20:21viele ließen ihre Schilder auf dem Boden schleifen,
20:23die sie erst noch für so viele sterbliche Lebensspannen
20:26aufrecht gehalten hatten.
20:29Es war, als wäre die Bürde ihrer Pflicht so schwer geworden,
20:32dass sie die Schilde nicht mehr stemmen konnten.
20:35Sie würden dennoch eine echte Bedrohung sein,
20:37denn so starr ihre Geister auch sein mochten,
20:39waren sie doch nicht komplett geistlos.
20:42Die Lütschgardisten waren aus den am höchsten
20:44dekorierten Soldaten in Itakas Armee hervorgegangen
20:47und hatten dementsprechend eine höhere Stufe
20:50des Bewusstseins erreicht.
20:52Oltix konnte sich kaum vorstellen,
20:54wie bitter es für die Wächter gewesen sein musste,
20:56hier reglos herumstehen zu müssen,
20:59nur um dem Verfall dessen zuzusehen,
21:01was sie zu beschützen geschworen hatten.
21:04Diese Zwölf, die diese lange Wacht überstanden hatten,
21:07mussten demnach extrem widerstandsfähig sein.
21:11Oltix würde Schwierigkeiten haben,
21:13sollte es soweit kommen,
21:14aber er hatte zumindest dank des Grundrisses des Thronraums
21:18einen kleinen Vorteil.
21:20Es würde einen Kampf geben.
21:22Die Frage war nur, wann er beginnen würde.
21:25Zwischen ihn und dem Thron
21:26und fast bis an die Kreuzgänge heran
21:29erstreckte sich die überdimensionierte Arena,
21:32die Unas noch vor Oltix Exil errichten hatte lassen.
21:36Damit hatte er vergeblich versucht,
21:37seine Freude neu zu entfachen.
21:40Die lächerliche Größe der Grube
21:41würde die Gardisten dazu zwingen,
21:43zu zweit um den Rand herumzukommen.
21:45Der göttliche König kennt diesen Oltix nicht,
21:51sagte der Verschlinger endlich verstört.
21:53Er weiß auch nicht, was Seed ist.
21:56Der göttliche König fragt sich, was Oltix ist.
22:00Erkennt ihr mich nicht wieder?
22:02fragte Oltix so leise, dass er sich selbst überraschte.
22:06Es war unangenehm, wenn man gehasst wurde,
22:10aber damit hatte man wenigstens ein Maß
22:12von Bedeutung erlangt.
22:15Es war jedoch die größte Furcht eines Necrons,
22:17vergessen zu werden,
22:19wie es auch schon für die kurzlebigen Vorgänger
22:21der Fall gewesen war.
22:23Aber der Verschlinger hatte diese Frage
22:25eindeutig als rhetorisch gewertet
22:27und fuhr nun fort,
22:29als hätte Oltix gar nichts gesagt.
22:31Ist dieser Oltix ein Dieb?
22:34Ist er gekommen, um die Schätze
22:36des Zerschmetterers des Horizonts zu nehmen?
22:39Oder vielleicht ist er ein Verräter,
22:41ein Meuchelmörder aus Octobeck
22:43oder dem feigen Nektüst?
22:45Der Ton des Verschlingers wurde zunehmend ängstlich.
22:48Das war Unas Paranoia,
22:51welche mit dem Versinken in der Vergessenheit
22:53und der Wiedergeburt im Wahn
22:55zu einer vollen Wahnvorstellung geworden war.
22:58Ich bin der Nomarch von Seed,
23:02wiederholte Oltix,
23:04der begleitend seine Arme ausstreckte.
23:06Ich war einst der zweite Künas von Ithakas,
23:10ebenso eurer.
23:12Aber Oltix brach hier ab,
23:14denn es war klar,
23:15dass der Verschlinger nicht zuhörte.
23:18Er hatte sich zitternd vom Thron erhoben
23:20und fuhr nun wild herum,
23:21um irre in die Dunkelheit
23:24des Thronraums zu starren.
23:25Ein Mörder, ein Undankbarer,
23:28ein Geist,
23:29Feinde im Palast des Aufgestiegenen.
23:32Wer hat diesen Oltix eingelassen?
23:35Findet den Verräter,
23:36der seine Pflichten vernachlässigt hat,
23:39denn der Verdunkler der Sonnen
23:40will aus seinem Schädel trinken.
23:43Die Kreatur war komplett verrückt.
23:44Das konnte Oltix jetzt zweifelsohne erkennen.
23:48Sie war ein Abbild fürchterlichsten Verfalls,
23:51die man nur noch verabscheuen konnte.
23:53Doch war da auch Mitleid,
23:55von dem Oltix nicht gewusst hatte,
23:58dass er es noch besaß.
24:00Es war kein Mitleid für das Ding selbst,
24:02sondern für Unas.
24:04Wie musste der Dynast sich wohl gefühlt haben,
24:07als er in den zweiten Tod des Fluches abgeglitten war?
24:10So sehr Oltix auch versuchte,
24:13sich an 300 Jahre Hass zu erinnern,
24:16so konnte er sich doch nicht dazu bewegen,
24:18dies als verdient für Unas zu qualifizieren.
24:22Wie lange hatte Unas schon gegen Landugors Geschenk angekämpft?
24:27Oltix hatte immer gedacht,
24:29dass Unas nach Soka schwach
24:30und mit dem langen Verfall all seiner Freude
24:33über die Jahre noch schwächer geworden war.
24:35Aber vielleicht war der Umstand,
24:38dass er überhaupt so lange er selbst gewesen war,
24:40nur Zeugnis seiner Stärke.
24:43Mentep hatte es bereits für bemerkenswert befunden,
24:46dass Yennek sich über Jahre gegen den Fluch gewehrt hatte,
24:49doch Unas hatte es über geologische Zeitspannen hinweggeschafft.
24:53Mentep selbst hatte gesagt,
24:54nicht einmal ein Gott konnte einem Trauma entkommen.
24:59Verräter!
25:00heulte der Verschlinger nun mit schriller Stimme.
25:02Irgendwo zwischen Furcht und Zorn gefangen,
25:05deutete er mit zitternden Fingern zwischen die Säulen,
25:09wo nichts zu finden war.
25:11Meuchelmörder! Undankbarer!
25:13Denkst du etwa,
25:14dass die allsehenden Augen dich nicht längst entdeckt haben,
25:17wie du im Schilf herumschleichst?
25:18Du kannst dir nicht vorstellen,
25:20was er getan hat,
25:22was er geopfert hat,
25:23um seine Seele zurückzuerlangen,
25:26um seinem Königreich,
25:27seinem Königreich Rettung zu bringen.
25:30Er hat die Rückgrate gebrochen,
25:32die Eingeweide verschlungen,
25:34er hat den Größten der Vorfahren verschlungen,
25:36er hat den Alten, den Älteren, den Ältesten erschlagen.
25:40Er hat...
25:41Oltix konnte es kaum noch ertragen, zuzuhören,
25:44denn die Stimme des Verschlingers zerriss beinahe vor Hysterie.
25:47Aber es klang auch verloren,
25:48als wäre ihm entfallen,
25:50was überhaupt diesen Ausbruch ausgelöst hatte.
25:53Tatsächlich schien es in der Zeit,
25:56in der es die Schatten im Thronraum anbrüllte,
25:58zu vergessen, dass Oltix überhaupt anwesend war.
26:02Zuzusehen, wie das Monster auf seinen Hinterbeinen kauerte
26:05und die Faust dem Kuppeldach über sich entgegenschüttelte,
26:09war fast, als würde man einem Kind zusehen.
26:12Oltix konnte dies nicht mit dem Fakt vereinen,
26:15dass diese Kreatur Unas noch immer ähnelte.
26:20Unas mochte schon immer von Mängeln behaftet gewesen sein,
26:23aber er war stets der Dynast gewesen,
26:26ob es nun zum Besseren oder zum Schlechteren gestanden hatte.
26:30Jetzt also zu sehen,
26:32was für eine grauenhafte Parodie
26:34seiner schlechtesten Eigenschaften
26:36aus dem König geworden war,
26:38ließ Oltix an all jene edle Eigenschaften denken,
26:42die Unas einst besessen hatte.
26:44Zumindest diejenigen,
26:46die er nicht während seiner ersten trotzigen Liebe
26:48zum beschworenen Medium
26:49aus seinen Erinnerungen gebrannt hatte.
26:54Jetzt, wo er an all jene Erinnerungen dachte,
26:57die für immer verschwunden waren,
26:59fühlte er eine weite Kälte um seinen Kern.
27:03Es war ein völlig neues Gefühl,
27:05also brauchte er ein oder zwei Sekunden,
27:08ehe die Erkenntnis ihn hart traf.
27:11Er vermisste Unas,
27:13der einst sein Vater gewesen war.
27:15Ich besitze keine passende Konfiguration,
27:20um emotionale Unterstützung zu bieten,
27:24sagte Strategie an Doktrinstelle.
27:27Es war eindeutig,
27:28dass Strategie Schwierigkeiten damit hatte,
27:31etwas ohne zumindest einen geringen Grad
27:34mathematischer Abstraktion auszudrücken.
27:37Aber ich habe mit anderen Partitionen gesprochen
27:40und nun,
27:42wir,
27:43wir verstehen euch,
27:44beendete Xenologie den Satz,
27:47uncharakteristisch umgänglich.
27:49Obwohl sie ihre ganze Existenz damit zubrachte,
27:52darüber nachzudenken,
27:53wie sehr sie die Xenos verabscheute,
27:56schienen Xenologie soziale Instinkte
27:58doch um einiges entwickelter zu sein
28:01als Strategies.
28:03Das tun wir,
28:04stimmte Analytik freudig zu,
28:06auch wenn Oltig sich sicher war,
28:08dass diese Subpartition lediglich den anderen folgte.
28:12Analytik hatte zumindest nie zuvor
28:14irgendwelches Bewusstsein
28:16für die Existenz von Emotionen gezeigt,
28:19die über die einfache Befriedigung
28:21im Angesicht eines Überflusses von Daten hinausging.
28:24Strategie griff daraufhin wieder ein,
28:27wohl besorgt,
28:28die Situation im ausführenden Zwischenspeicher
28:31könnte zu emotional werden.
28:33Allerdings ist mit der zumindest
28:35kognitiven Abwesenheit von Unas
28:37oder dem Verschlinger,
28:39wie ich sagen sollte,
28:41eine einfachere Lösung zu finden,
28:44stellte Strategie fest.
28:46Auf diese Anspielung auf Gewalt hin
28:48gab Kampf sofort seine herzlichste Zustimmung bekannt,
28:52ehe er ein etwas raues,
28:55peinlich berührtes Gurren von sich gab,
28:58was Oltigs als den Versuch dieser Subpartition deutete,
29:01ihn irgendwie zu trösten.
29:03»Ja, das ist richtig«,
29:06stimmte Oltigs zu,
29:08wenn auch zögerlicher als erwartet.
29:11Aber auch wenn er genau diesen Moment hätte wählen sollen,
29:14um zuzuschlagen,
29:16so konnte er doch diesmal nicht diesen Funken finden,
29:20mit dem er die Flammen seines Zorns entzündet hätte.
29:23»Er hat den Größten unter den Vorfahren verschlungen«,
29:28murmelte der Verschlinger schwermütig,
29:30während er ins Nichts starrte.
29:33»Er ist die größte Macht,
29:35die auch andere Mächte überwältigt.
29:38Er ist ein heiliges Bild,
29:40das heiligste Bild unter den heiligen Bildern der Götter,
29:45welche er alle findet, um sie zu verschlingen.«
29:50Dieses Ding rezitierte diese
29:52auf sich selbst geschriebenen,
29:54unsinnigen Lobeshymnen derart leise
29:56und voller Elend,
29:58»dass es wie das Summen der grauen Grabfliegen um es herumklang.«
30:02Wenn es schon nichts anderes schaffen konnte,
30:05dann hätte zumindest die Abscheu vor diesem Ding
30:07Oltigs zum Handeln bewegen sollen.
30:10Aber noch immer blieben seine Fußplatten an Ort und Stelle.
30:14Nachdem er seinen fantasorischen Zwischenspeicher
30:16so lange mit Rache-Fantasien geflutet hatte,
30:19schien es trotzdem unvorstellbar,
30:22Unas wirklich zu erschlagen.
30:24»Worauf wartet ihr?«, fragte Strategie aus Sorge,
30:29dass sie den Moment ungenutzt verstreichen lassen würde.
30:32Oltigs konnte darauf keine Antwort geben,
30:35intellektuell, spirituell und intuitiv.
30:39Mit seinem ganzen Sein wusste er,
30:42dass dieses Ding nicht länger Unas war.
30:44Der wahre Unas war ohnehin nur ein Abdruck eines Abdruckes gewesen,
30:49den er aus der Asche des Vaters gewonnen hatte,
30:51welche vor 60 Millionen Jahren
30:54in den Wüstensand übergegangen war.
30:57Aber abgesehen von diesen Überlegungen
30:59würde Oltigs sich nicht von einer sentimentalen Abneigung
31:04gegen Vatermord aufhalten lassen.
31:06Nein, die Grenze, die er nicht zu überschreiten wagte,
31:09war viel gewichtiger.
31:12Königsmord.
31:12Oltigs hatte einen Handel mit sich abgeschlossen.
31:16Er würde ein einziges Mal versuchen,
31:18mit dem Verschlinger der Götter zu verhandeln
31:20und ihn darum bitten, Itakas zu verteidigen.
31:23Sollte dies fehlschlagen,
31:25dann würde er ihn eben vernichten müssen.
31:28Damit wäre sein Ziel,
31:29wegen dem er hierher gekommen war,
31:31auch erfüllt,
31:32und wenigstens ein Teil seiner Ehre
31:33würde intakt bleiben.
31:35Für einen Moment kam ihm
31:37Menteps Gleichnis vom verdammten Nemesor in den Sinn.
31:40Dieser absurde Gedankengang war angesichts der Situation,
31:44in der er sich befand,
31:46finster,
31:47amüsant.
31:48Der Mund des Negron-Tür
31:50ist tatsächlich seine Rettung.
31:54Ihr,
31:55der ihr einst Unas wart,
31:57begann er mit einer Stimme,
31:59die so schwer und finster wie die Schneeflocken Seeds waren.
32:02Meister der hellsten Sonnen,
32:04Architekt höchster Gerechtigkeit,
32:06Brecher der Schiffe,
32:08Schmied der Kolosse.
32:09Er,
32:10der er mit einer Hand nimmt
32:12und mit zweien gibt,
32:14das Bollwerk von Kantak,
32:16das Genie von Kallik,
32:18O Unas,
32:20höchster Dynast,
32:21und Feron des Königreiches von Itakas.
32:24Ich komme,
32:25um mit euch zu verhandeln.
32:26Erst als die Worte ausgesprochen waren,
32:30begriff Oltix,
32:31wie sehr sie nach einer Grabesrede klangen,
32:34aber er konnte damit die Aufmerksamkeit
32:35des Verschlingers auf sich ziehen.
32:37Das Gemurmel verstummte endlich,
32:40und dann richtete sich der gefallene Gott langsam auf,
32:43um ihn wie ein dummer Raubsaurier anzusehen,
32:46dem ein Stück seiner Beute streitig gemacht worden war.
32:50Wer steht da in den Schatten?
32:53fragte er,
32:54genau wie beim ersten Mal,
32:55als Oltix eingetreten war.
32:58Noch immer Oltix,
33:01sagte Oltix,
33:02dessen Entschlossenheit wieder wankte.
33:04Aber was bist du?
33:06Ich bin die Bestie des Horizonts,
33:10sagte der Verschlinger trübselig.
33:12Ich bin er,
33:14dessen Wille alles zerbricht,
33:16der von den Göttern lebt.
33:17Ich verschlinge ihre Gedärme,
33:20auch von jenen,
33:21deren Körper voller Magie.
33:23Ihr habt es mit Worten versucht,
33:25sagte Strategie,
33:27während der Verschlinger einmal mehr Unsinn von sich gab.
33:30Es ist an der Zeit zu handeln!
33:32Aber Oltix konnte sich nicht überwinden.
33:34Der Gedanke war in seinem mimetischen Zwischenspeicher eingefroren,
33:38während er wie angewurzelt auf dem Pflaster des Thronsaals stand.
33:41Jedenfalls, bis er sich erinnerte,
33:45dass er ein Element bei dieser Entscheidung nicht bedacht hatte.
33:48Zeig mir die Gesichtsplatte!
33:51Zur Partition,
33:52sagte Oltix mit ernster Klarheit.
33:55Halbgeformte Glyphen blitzten kurz an der Peripherie seines Gesichtsfeldes auf.
34:00Strategie bedachte die Anfrage,
34:01wechselte in Mikrosekunden zwischen den Glyphen der Unterlassung und der Zweckmäßigkeit,
34:07so als könnte sie sich nicht zwischen der geistigen Gesundheit und der Ehre von Oltix entscheiden.
34:13Endlich aber war es die Glyphe der Zweckmäßigkeit, die sich festigte.
34:17Und darauf folgte eine Glyphe für eine Bitte um Bestätigung.
34:22Zeig sie mir!
34:23Wiederholte Oltix.
34:25Seht selbst!
34:27Und mit dieser Zustimmung entfernte Strategie die Auspexe,
34:31die die Gesichtsplatte des Verschlingers verborgen hatten.
34:34Oltix sah nun, dass dort keine Gesichtsplatte war,
34:38sondern ein Gesicht, das dem Verschlinger nicht gehörte.
34:42Der heruntergekommene König trug eine Maske aus Haut,
34:46die über das Gold darunter geklebt worden war
34:48und nun von einem Saum aus Necrodermis festgehalten wurde.
34:53Durch die verformten Löcher in der Haut,
34:55die einst Platz für die Augen gelassen hatten,
34:57starrten die wässrig-weißen Augen des Verschlingers auf ihn.
35:01Es war eine Abscheulichkeit,
35:03aber Oltix war gegenüber solchen Abscheulichkeiten abgehärtet.
35:07Hatte seine Superdition ihn wirklich für zu schwach gehalten, dies zu erblicken?
35:11Es war doch nur eine groteske Facette eines Fluchs.
35:14Aber diese Maske bestand nicht aus weichem, neuen Fleisch,
35:20welches normalerweise auf den Verfluchten zu sehen war.
35:23Nein, es war hart wie Holz, beinahe schwarz geworden vom Alter.
35:28Ein zweiter Blick mit seinen radiometrischen Sensoren sagte ihm,
35:32dass dies hier unfassbar alt war und derart einbalsamiert,
35:37dass es die Äonen überdauern könnte.
35:38Er musste nicht erst Xenologie befragen, um zu wissen,
35:43dass dies nicht von den Sklaventransporten von Altumor stammen konnte.
35:48Es war ein Necron-Türgesicht.
35:49Du blickst dem göttlichen König nun ins Gesicht, Geist,
35:54ertönte die Stimme des Verschlingers durch dieses Relikt.
35:56Begreifst du nun, wo du hingehörst?
36:00Erst war Altix noch überzeugt, dass er verrückt geworden war
36:03oder dass er irgendwie in eine albtraumhafte Kluft
36:06zwischen Realität und Tagtraum gestürzt war, ohne es zu merken.
36:11Aber das Gesicht war echt und nicht nur irgendein Gesicht.
36:16Mit einer maximalen Anpassung seiner Okulare
36:19stellte sich der Fries hinter Altix scharf.
36:22Dort aus dem Herzen der Prozession der Uralten
36:24starrte ihm das gleiche Gesicht entgegen.
36:27Es war nicht länger Unruhe oder Beklemmung,
36:30sondern nacktes Grauen, das Altix wie ein Blitz durchzuckte.
36:35Aus Instinkt hob er die Hand vor seine Okulare,
36:38um die Todesmaske abzuschirmen,
36:40ehe er Strategie schreiend bat
36:42oder, das vielleicht auch nur in seinem Zwischenspeicher dachte,
36:45diese Blasphemie wieder zu überdecken.
36:48Er hatte gerade die sterblichen Überreste von Ithaka,
36:52dem Gesetzgeber erblickt,
36:54dem Gründer und ersten Dynasten Ithakas.
36:57Es war geradezu unvorstellbare, allumfassende Blasphemie.
37:02Es gab nichts Heiligeres, nichts Wertvolleres im Universum
37:05als die Gebeine von Ithaka.
37:08Sie waren seit den frühen Tagen auf der Heimatwelt aufgebahrt gewesen
37:12und verehrt worden.
37:14Als Antikev besiedelt worden war,
37:16hatte man Ithaka auf einem Fackelschiff-Mausoleum
37:19aus purem Metagold hierher gebracht.
37:22Sobald der Körper in das ewige Gewölbe
37:24unter die königliche Zikura transferiert worden war,
37:27hatte man das Fackelschiff samt der ganzen Besatzung
37:30mitten ins Herz des Sterns von Antikev geflogen,
37:33sodass er auf ewig ein wenig heller leuchten möge,
37:36um die Ankunft des Vorvaters zu verkünden.
37:39Die Kryptech, die das Gewölbe des Gesetzgebers in Stand hielten,
37:44hatten schon vor langer Zeit in Anerkennung ihrer fleischlichen
37:47und erblindeten Vorgänger ihre Okulare abgelegt,
37:51denn es war bei Todesstrafe verboten,
37:53auf die sterblichen Überreste Ithakas zu blicken.
37:56Selbst für einen Adligen.
37:57Und jetzt hatte Oltöks die heiligen Gesichtszüge ohne Schutz erblickt,
38:02denn Unas, oder was auch immer für ein Pseudogott
38:05aus den Überresten seines Vorstandes entsprungen war,
38:08hatte das Gewölbe geplündert und den Gesetzgeber entstellt.
38:13Aber wo ist der Rest des heiligen Relikts?
38:17Die Antwort darauf gaben die Worte des Verschlingers selbst,
38:20die wieder in eine Tirade gefallen war.
38:23Er hat den Größten der Vorfahren verschlungen.
38:27»Weißt du nicht, wo dein Platz ist?«
38:30schrie das Ding erneut wie ein gereiztes Kind.
38:33Oltöks registrierte am Rand,
38:35wie sich zwölfmal lange, stillgestandene Gelenke in Bewegung setzten.
38:40Die Lüchgardisten kamen um den Rand der Arena-Grube herum,
38:44aber er starrte lediglich auf die verschmutzten Steine unter sich,
38:47als wollte er sich wie ein planetenknackender Gnausbohrer in die Erde arbeiten.
38:52Der Schrecken darüber, da er Ithakas Relikt erkannt hatte,
38:56war durch seinen Kern gezogen und entfesselte dort die heißeste, schwärzeste Wut,
39:02die er je erlebt hatte.
39:05Sein Kernflux heulte wie ein Sonnensturm durch seine Glieder,
39:09und nur mit äußerster Mühe konnte er sich dazu zwingen,
39:12einen winzigen Teil Energie in seine Vokalmotorik zu leiten,
39:17ehe er explodierte.
39:18»Ich weiß, wer ich bin«, grollte er.
39:21»Im Namen des königlichen Hauses von Ithakas werde ich dein Henker sein.«
39:27Oltöks rannte vor, jeder Schritt wie ein Donnerschlag.
39:31Seine Gläfe erschien mit einem grünen Feuerstoß in seiner Hand.
39:35Sobald er den Steinrand der Grube erreichte,
39:37sprang er mit aller Gewalt in die Luft.
39:39Untertitelung des ZDF, 2020
Empfohlen
1:17:14
|
Als nächstes auf Sendung
1:21:26
23:40
23:40
23:40
1:26:00
1:26:34
1:13:58
32:01
1:07:33
48:43
1:38:12
1:30:45
29:56
48:45
1:37:17
1:36:42
1:26:15
1:28:22
31:03
1:26:20
1:23:40
1:07:18
1:51:23