Spanien zieht von Rekord zu Rekord: fast 90 Millionen Touristen 2024, die Bevölkerung wächst auf 49 Millionen. Die Wirtschaft läuft besser als in vielen anderen Staaten. Doch die Schattenseite des Erfolgs: Spanien hat ein Riesenproblem mit Wohnraum.
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00:01Malaga, Picassos Geburtsstadt. Winterdestination für tausende Touristen.
00:06Tiziana Procopio lebt hier. Auch sie mag das Klima und die Menschen.
00:10Doch die 45-Jährige wohnt in einem Zimmer in einer WG mit zwei weiteren Frauen.
00:16Mehr kann sie sich nicht leisten.
00:19Eigentlich wollte ich ja eine eigene Wohnung haben. Ich wollte nicht mehr in einer WG leben.
00:24Doch jetzt mache ich genau das wieder. Es ist schwer. Mehr finde ich nicht.
00:30Eines der Probleme in Malaga, die vielen Touristen-Apartments.
00:34Das bestätigen jetzt auch Analysen.
00:37Der Wissenschaftler Enrique Navarro hat die Veränderung der Stadt untersucht.
00:42Wir wissen, dass in einem Touristenziel die Wohnungspreise höher sind.
00:46Das ist nicht neu. Das Problem ist die Geschwindigkeit, mit der das hier passiert ist.
00:52Vor acht Jahren gab es in Malaga noch rund 800 Airbnbs.
00:56Jetzt sind es mehr als 12.000.
00:58Diese Wohnungen fehlen dem normalen Mietmarkt.
01:01Und die Mietpreise steigen durch Airbnb im Zentrum um bis zu 90 Euro im Monat.
01:06Doch nicht nur das.
01:08Der Preisanstieg im Zentrum wirkt sich nicht nur auf das Zentrum aus,
01:12sondern auch auf ein drei Kilometer entferntes Viertel.
01:15Denn er führt automatisch zu einem Wachstum,
01:17zu einem Anstieg der Wohnungsmieten in den anderen Vierteln.
01:20Tiziana Procopio hat bei ihren Freunden und Bekannten beobachten können, was das bedeutet.
01:31Die Leute mussten umziehen.
01:33Sie sind jetzt auch in die Dörfer drumherum gezogen.
01:36Das ist einerseits okay, die Dörfer wachsen.
01:39Doch der Haken ist, das ist keine freie Entscheidung.
01:41Es bleibt ihnen gar keine Wahl.
01:43Was tun?
01:47In Malaga und in anderen Städten baut die spanische Regierung mit EU-Mitteln schon tausende neuer Wohnungen.
01:54In Madrid baut auch die Stadtverwaltung neue Sozialwohnungen wie diese.
01:58500 Euro für ein Zimmer, Küche, Bad.
02:05Mit mehr als 2000 Wohnungen, die in den letzten fünf Jahren gebaut wurden,
02:09gibt es derzeit 9200 Mietwohnungen bei der Stadtverwaltung von Madrid.
02:14Und wir haben 6200 Wohnungen in der Projekt- oder Bauphase.
02:19Der Haken ist, Madrid wuchs innerhalb eines Jahres um 120.000 Einwohner.
02:24Bei der Lotterie für 270 neue Sozialwohnungen hatten sich 14.000 Interessierte angemeldet.
02:32Der Bedarf nach neuen Wohnungen in ganz Spanien ist enorm.
02:36Die spanische Bevölkerung wächst um durchschnittlich 230.000 neue Haushalte pro Jahr.
02:42Schon lange werden weniger als 100.000 Wohnungen pro Jahr gebaut.
02:46Dieses Defizit summiert sich.
02:48Nach Angaben der spanischen Zentralbank fehlen derzeit 600.000 Wohnungen, um die aktuelle Nachfrage zu decken.
02:55Wie groß die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ist, sieht man schnell in den Schaufenstern der Makler.
03:01Die Angebote sind teuer, trotzdem schnell vermietet oder sogar verkauft.
03:05Das ist ein massives Problem, denn es trifft die Mittelschicht.
03:10Die Mittelschicht kann sich mit den existierenden Löhnen und weiter steigenden Preisen keine Wohnung mehr in der Stadt leisten.
03:16Der spanische Staat nutzt Geld aus dem europäischen Aufbaufonds für den Wohnungsbau.
03:24Außerdem will die Regierung Millionen Quadratmeter Bauland freigeben, so wie diese Flächen in Madrid.
03:30Schnelle Lösungen der Wohnungsnot, Fehlanzeige.
03:33Das Hauptproblem ist das Bauland.
03:37Unseren Daten zufolge kann es im Durchschnitt zwischen 10 und 15 Jahre dauern, bis das Landfernbauprojekt erschlossen ist.
03:45Angesichts des Wohnungsmangels können wir uns diesen Zeitraum nicht leisten.
03:50Dazu kommen noch die hohen Baukosten und der Mangel an Arbeitskräften.
03:53Doch es geht auch anders.
04:00Eine Autostunde von Malaga entfernt liegt das 2000-Einwohner-Städtchen Marina Leda.
04:06Der Bürgermeister erklärt mir, was seinen Ort auszeichnet.
04:09Wir verstehen Wohnungen als ein Recht und nicht als ein Geschäft.
04:15Was das heißt, zeigt er in der Nähe des Rathauses.
04:18Eine Siedlung, bei der die Bewohner selbst mitbauen mussten.
04:21Dort wohnt auch der Bürgermeister.
04:23Jetzt bauen sie weitere Wohnungen.
04:26Im Ort ist das seit rund 40 Jahren ein fortlaufendes Projekt.
04:31Wir verstehen nicht, wie es in diesem Land derzeit nur 2,5 Prozent Sozialwohnungen gibt,
04:37während der Durchschnitt in Europa bei fast 10 Prozent liegt.
04:41Wir in Marina Leda versuchen zu garantieren, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben.
04:46Wir versuchen dafür zu sorgen, dass die Nachbarn wenig Geld zahlen,
04:49einen symbolischen Preis von 15 bis 20 Euro pro Monat.
04:55Nur 15 bis 20 Euro im Monat.
04:58Dafür gehören die Wohnungen und Grundstücke weiterhin der Stadt.
05:02Trotzdem stellt sich die Frage, wie der kleine Ort den Bau bezahlt,
05:06wenn über die Mieten kaum Geld reinkommt.
05:08Nun, wir versuchen auch Finanzmittel von anderen Verwaltungen zu erhalten.
05:13Entweder von Europa oder vom Staat oder von der Regionalregierung Andalusiens.
05:18Aber es stimmt, dass andere Städte diese Gelder auch bekommen.
05:23Wir nehmen sie aber für den Bau von Sozialwohnungen.
05:26Wir haben derzeit mehr als 300.
05:28Ein Drittel der Bevölkerung von Marina Leda lebt in Sozialwohnungen.
05:35In Marina Leda regiert seit Jahrzehnten die spanische Linke.
05:39Das ist für den Bürgermeister aber keine Entschuldigung,
05:42dass nicht auch andere Städte einen ähnlichen Weg geben.
05:45Wenn eine Stadt wie Marina Leda mit 2500 Einwohnern es schafft,
05:53alle vier oder fünf Jahre 24 oder 26 Häuser zu bauen,
05:57stellen Sie sich mal vor, wie es wäre,
05:59wenn in Städten, die viel mehr Land und wirtschaftliche Ressourcen haben,
06:03der politische Wille vorhanden wäre
06:05und der Zugang zu Wohnraum absolute Priorität hätte.
06:08Wann und ob Spanien die Wohnungsnot in den Griff bekommt, ist offen.
06:14Der politische Wille ist vorhanden,
06:16auch wenn Regierung und Opposition sich noch streiten.
06:19Es muss sich etwas ändern,
06:21sonst wird der Frust der Betroffenen zum Problem für die Politik.
06:24Ich erinnere viel Zeit.