Auf dem Bau arbeiten in Deutschland weniger als 2% Frauen in gewerblichen Berufen. Ein Grund dafür: Bis 1994 waren diese Arbeit Frauen verboten. Der Frauenanteil steigt seitdem aber kaum an. Woran liegt das und wie geht es den Frauen auf dem Bau?
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NewsTranskript
00:00Eine Baustelle auf den Dächern Berlins. Cheryl Silverman ist hier die einzige Frau neben acht Männern.
00:06Die junge Dachdeckerin gehört zu einer absoluten Minderheit.
00:10Unter den Dachdeckern am Bau liegt der Frauenanteil unter zwei Prozent.
00:14Silverman liebt ihre Arbeit. Vorher studierte sie, wollte Lehrerin werden, bis sie das Handwerk für sich entdeckte.
00:23In meinem Kopf gab es keinen freieren Beruf als eine Baustelle.
00:26Ich hatte draußen Luft, Musik, Kollegen und ich fühle mich jedes Mal auf der Baustelle wie bei einem großen Umzug.
00:34Die Arbeit ist auch körperlich belastend. Deshalb war es Frauen in Deutschland verboten, im Baugewerbe zu arbeiten.
00:41Erst 1994 wurde das Gesetz aufgehoben.
00:45Mittlerweile gibt es Vorgaben, wie schwer Lasten maximal sein dürfen für Frauen und Männer.
00:51Trotzdem interessieren sich kaum Frauen für Bauberufe.
00:54Ich denke, dass die Arbeit auf der Baustelle auch oft als so minderwertig angesehen wird.
01:00Also das ist so eine Drecksarbeit.
01:02Das machen dann irgendwelche Leute, die irgendwie kein Gehirn haben.
01:05Und dann arbeiten die da stupide vor sich hin und mauern so einen Stein über den nächsten oder schweißen so ihre Bahn.
01:11Und ich glaube, da treten dann viele Frauen davon auch zurück.
01:15Es ist auch das Verhalten einiger Männer, erzählt Klempnermeister Emmerich.
01:20Er hat selbst drei Töchter und kann sich gut vorstellen, dass die Baustellenwelt Frauen abschreckt.
01:27Ich denke noch, wir Bauarbeiter haben ja so ein bisschen, sag ich mal, wir pfeifen nur vom Dach runter.
01:32Oder hu, hu, hu, du, naja, da gibt es ja gewisse Wörter, die man dann runterpfeift oder runter sagt, komm mal her und naja.
01:41Doch seit viele ältere Kollegen in Rente gehen und Jüngere nachrücken, verändert sich einiges zum Besseren, meint Emmerich.
01:49Respektvoller natürlich miteinander, ja, dass die Frauen halt, die Akzeptanz, die ist auf der Baustelle unheimlich gewachsen.
02:00Ja, dass wir sagen, okay, wir sind Top-Team, Top-Kollegen und ja, die alten Hordegen, die sind dann auch, viele sind ja schon gegangen jetzt.
02:10Nicht weit entfernt, ebenfalls in Berlin, macht Svenja Börschel ihre Ausbildung als Mechanikerin für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik.
02:18Der Betrieb gehört den Eltern der 24-Jährigen. Vorher hatte sie ihre kaufmännische Ausbildung beendet, dann aber das Handwerk für sich entdeckt.
02:27Mir macht das total Spaß, richtig gut. Es ist voll meine Welt, nicht nur hier im Büro zu sitzen, sondern auch einfach unterwegs zu sein und nicht stupide am Computer zu sitzen, das mache ich auch, das mache ich auch gerne.
02:40Aber halt auch rauszukommen, die Fliesen auszusuchen, die Bäder zu planen, dieses Kreative.
02:44Installateurmeister Tino Kerkow bildet Svenja Börschel aus. Sie ist die erste Frau, die hier diesen Beruf gewählt hat.
02:52Kerkow befürwortet das. Er beobachtet, dass Kunden überrascht reagieren, wenn er mit einer Frau zu einem Termin kommt.
03:01Manchmal beim Kunden sieht es erstmal komisch in dem ersten Augenblick aus, aber viele freuen sich dann auch, gerade so die älteren Omas und so.
03:08Also die sind da schon begeistert.
03:10Börschels Mutter arbeitet auch in dem Betrieb. Sie managt das Büro und ist stolz auf ihre Tochter.
03:16Als Jugendlicher wollte sie gerne Zweiradmechanikerin werden, doch daraus wurde nichts.
03:21Ende der 80er Jahre einen Männerberuf zu erlernen war eigentlich, ja mein Vater hat damals gesagt, als Mädchen Männerberuf, das geht gar nicht.
03:31Also das können wir gar nicht machen.
03:33Und so wurde sie damals Krankenschwester. Dafür unterstützt sie ihre Tochter auf dem Weg ins Handwerk.
03:39Svenja Börschel will den Betrieb irgendwann übernehmen. Sie hofft, andere Frauen ermutigen zu können.
03:45Bisher bewerben die sich nicht für eine Ausbildung.
03:48Dann ist es glaube ich, dass die Frauen sich nicht so richtig trauen, auch wenn, ich glaube es gibt viele Frauen, denen das total gut liegt, die das auch gerne machen würden.
03:58Aber weiß ich nicht, ob es vielleicht von zu Hause auch so ein bisschen kommt, dass die Papas dann sagen, das schaffst du eh nicht oder was willst du denn da mit den ganzen Männern.
04:06Aber wenn sich keiner traut, werden wir nie mehr Frauen.
04:10Cheryl Silverman traut sich. Feierabend für heute.
04:13Die Mitarbeiter grillen zusammen. Ein ritualer Monatsende.
04:17Chef Lasse Kutzbach möchte gerne noch mehr Frauen einstellen. Es verbessert das Miteinander und die Arbeit, erzählt Kutzbach.
04:24Frauen bringen ihre eigenen Fähigkeiten mit. Sie ergänzen das alte klassische Männerteam.
04:31Sie sind feiner, sie bringen diffizile Fähigkeiten mit, feine Anschlussdetails stellen sie besser her und sie fördern den Umgang.
04:41Ja, der wird menschlicher.
04:44Cheryl Silverman fühlt sich hier wohl. Perspektivisch will sie aufsteigen, vielleicht ihre Meisterin machen, denn wenn sie älter ist, will die Dachdeckerin auch im Büro arbeiten können.