Seit der Maya-Zeit herrschen in einer indigenen Gemeinschaft Mexikos strenge Geschlechterrollen. Doch „Las Amazonas“ brechen mit Softball diese Normen. Sie kämpfen für Anerkennung ihrer Arbeit im Haushalt und für ihre Familien – auf dem Spielfeld erfolgreich, zu Hause oft mit Widerständen konfrontiert.
00:00Schlagen, Fegen, Werfen, Waschen, Laufen, Kinder erziehen.
00:10Diese indigene Frauensoftballmannschaft in Mexiko hat es geschafft, zum Symbol von Gemeinschaft zu werden.
00:19Ein Teil von Las Amazonas zu sein, hat mich wirklich verändert.
00:23Es ist eine Art von Trotz, aber auf gute Weise.
00:26Bevor sie zu Las Amazonas von Yashuna wurden, fühlten sich viele der Frauen hier nicht wertgeschätzt.
00:35Ich komme von der Arbeit nach Hause, nur um weiterzuarbeiten.
00:39Ich muss putzen, abwaschen, mich um das Gemüsebeet kümmern, meine Ausgaben überprüfen und dann noch Zeit zum Softballspielen finden.
00:47Ich habe das Gefühl, dass Frauen mehr arbeiten als Männer.
00:56Der Dschungel von Yucatan im Südosten Mexikos.
01:16Zwischen Vogelgezwitscher und Rauschen des Windes in den Bäumen mischen sich die Klänge eines Trainingsspiels.
01:21Hier leben die Yashuna, eine Maya-Gemeinde, die das Wissen und die Traditionen der frühen Hochkulturen in Mittelamerika bis heute bewahrt.
01:34Bekannt geworden sind sie durch diese Gruppe.
01:36Frauen, die barfuß und in traditioneller Kleidung Softball spielen und damit das Bild neu definieren, das viele hier von Sport haben.
01:44Ich heiße Alvia Jaira Díaz, bin Hausfrau und spiele für das Softballteam Las Amazonas de Yashuna.
01:54Wenn ich auf das Spielfeld gehe, vergesse ich alles. Ich vergesse mein Haus, meine Kinder, ich vergesse alles komplett.
02:09Meine Gedanken sind nur auf dem Feld. Ich fange den Ball und laufe schnell wie ein Reh. Es macht mich glücklich.
02:15Ich bin Enedina Kanul-Pott. Ich bin Hausfrau, Kunsthandwerkerin und ich bin Softballspielerin.
02:27Bei Las Amazonas spielen Frauen unterschiedlicher Generationen. Auf typische Sportkleidung verzichten sie.
02:34Sie kämpfen dafür, dass die harte Arbeit, die die Spielerinnen in ihren Familien leisten, mehr Anerkennung bekommt.
02:40Ein normaler Tag heißt für mich, meine Tochter zur Schule zu bringen, nach Hause zu kommen, um zu putzen und zu kochen und dann meine Tochter von der Schule wieder abzuholen.
02:54Wenn dann noch Zeit ist am Nachmittag, trainieren wir, um besser zu werden.
02:58Doch die größte Herausforderung ist für die Frauen nicht die sportliche Leistung. Ihr härtester Gegner heißt Sexismus.
03:14Die kleine indigene Gemeinschaft wird von hunderten Frauen getragen, die sich täglich um die Erziehung der Kinder und um den Haushalt kümmern.
03:31Die Männer arbeiten oft in nahegelegenen Städten wie Merida oder Cancun, weil sie dort mehr Geld verdienen.
03:37Nur an den Wochenenden kehren sie zu ihren Familien zurück.
03:44Eine dieser Frauen ist Alvi. Bei Las Amazonas mitzumachen, war nicht nur für sie persönlich eine Herausforderung, sondern auch für ihre Ehe.
03:54Ihr Mann stand zunächst gar nicht hinter ihrer Entscheidung für den Sport. Die beiden trennten sich sogar kurzzeitig.
04:01Ich hatte das Gefühl, mein Leben würde mir entgleiten. Es hieß entweder mein Mann oder der Sport.
04:14Aber ich glaube, wenn ich an diesem Abend nicht das Haus verlassen hätte, wäre ich jetzt nicht bei Las Amazonas und würde nicht all diese Orte sehen können.
04:21Wir waren schon in großen Städten, von denen ich niemals zu träumen gewagt hätte.
04:25Ich denke, ja, für mich war es die beste Entscheidung.
04:28Alvis Ehemann weigerte sich zunächst, ihre Entscheidung zu akzeptieren.
04:35Seiner Meinung nach sollten sich Frauen voll und ganz auf den Haushalt und die Kinder konzentrieren.
04:39Ein Standpunkt, der in Yashuna noch immer weit verbreitet ist.
04:44Ich finde, dass das Hausfrauen-Dasein anstrengend ist, aber es wird nicht anerkannt.
04:50Manchmal fragen mich Leute, was arbeitest du denn, wenn du nur Hausfrau bist?
04:53Putzen, kochen, die Pflege von Kindern, älteren oder kranken Menschen, aber auch Wasser holen und Brennmaterial sammeln.
05:03Diese Sorgearbeit wird weltweit zu rund drei Vierteln von Frauen erledigt.
05:08In Mexiko ist der Anteil an unbezahlter Hausarbeit besonders hoch.
05:12Trotzdem versucht Alvi auch, etwas zum Familieneinkommen beizutragen, wo immer sie kann.
05:21Meine Schwester hatte die Idee, etwas zu verkaufen.
05:24Also habe ich gesagt, lass uns etwas kochen.
05:26So können wir unsere Männer unterstützen und ihnen etwas den finanziellen Druck nehmen,
05:30damit sie nicht ständig überlegen müssen, wann der nächste Zahltag ist.
05:33Wir können neben unserem Dasein als Hausfrauen ein bisschen was tun.
05:36Nach mehr als drei Stunden mit dem Bus kommt Enedina gerade zurück nach Hause in Yashuna.
05:47Sie arbeitet in Merida, der Hauptstadt Yucatans.
05:50Der Job hält sie auf Trab und lenkt sie nach dem Tod ihres Mannes etwas von ihrer Trauer ab.
05:56Ich wurde hier in der Stadt geboren. Damals war sie doch kleiner als heute.
06:04Ich habe hier mit sechs oder sieben Jahren angefangen, Baseball zu spielen.
06:08Damit bin ich aufgewachsen. Ich habe nie mit Puppen gespielt.
06:14Enedina spielt eine wichtige Rolle für Las Amazonas.
06:17Ihre Liebe zum Baseball hat sie schon als Kind dazu gebracht, Geschlechterrollen zu hinterfragen.
06:22Bei uns gibt es eine Menge Sexismus. Ich wollte studieren, aber mein Vater sagte mir,
06:29dass Mädchen nicht das Recht hätten, zur Schule zu gehen.
06:32Sie müssen heiraten und sich dann um die Kinder kümmern.
06:36Als wir 2017 Las Amazonas gründeten, begannen sich die Dinge zu ändern.
06:41Das Frauenteam hat dabei geholfen, Vorurteile abzubauen.
06:50Aber für Enedina gab es auch praktische Gründe, zu ihrem geliebten Sport zurückzukehren.
06:57Im Rahmen eines Regierungsprogramms kam ein Arzt hierher.
07:02Der hat uns geraten, Sport zu machen.
07:04Ich habe den Frauen dann gesagt, dass ich gern Baseball spielen würde.
07:08Einige fragten, wie sollen wir das denn machen? Wir haben keine Schläger und keine Handschuhe.
07:15Ich sagte, dass das kein Problem ist. Wir können auch ohne Handschuhe spielen und mein Mann hat Basebälle.
07:23Natürlich kriegen wir das hin.
07:24Inzwischen sind Las Amazonas nicht nur erfolgreich, sondern auch bekannt.
07:35Durch ein virales Video ihres Trainings wurde sogar die Major League Baseball auf sie aufmerksam.
07:40Es folgte eine Einladung in die USA, wo sie den ersten Pitch bei einem Spiel zwischen den Arizona Diamondbacks
07:47und den San Francisco Giants werfen durften.
07:49Für Enedina ist diese Anerkennung aber nicht genug.
07:55Fast zwei Millionen Frauen in Mexiko, die häusliche Arbeit machen, haben keinerlei soziale Absicherung.
08:02Das bedeutet finanziellen Druck und wachsende Ungleichheit.
08:06Ich komme von der Arbeit nach Hause, nur um weiterzuarbeiten.
08:11Ich muss putzen, abwaschen, mich um das Gemüsebeet kümmern, meine Ausgaben überprüfen und dann noch Zeit zum Softballspielen finden.
08:18Ich habe das Gefühl, dass Frauen mehr arbeiten als Männer.
08:24Den Abend nutzt Enedina, um Hängematten zu weben.
08:28Diese sollen später in Merida verkauft werden.
08:30Nach dem Tod ihres Mannes braucht sie das zusätzliche Einkommen, zumal sie noch einen ihrer Söhne unterstützt.
08:41Es ist Spieltag.
08:43Weil ihr eigenes Feld gerade renoviert wird, reist das Team heute nach Peto, gut 70 Kilometer von Yashuna entfernt.
08:49Diese Reisen sind nicht nur für die Spielerinnen etwas Besonderes.
09:01Viele von ihnen, darunter auch Alvi, nehmen ihre Kinder mit, um das Erlebnis mit ihnen zu teilen.
09:07Auch wenn Gemeinschaft bei Las Amazonas groß geschrieben wird, so ein Spiel ist immer auch ein Wettkampf.
09:15Kapitänin Sidlai feuert ihr Team an.
09:19Wir im Außenfeld, die Shortstops, zweite Base, Wildcard, Fänger, Werfer, erste Base, zweite, dritte.
09:31Bitte gebt alles, lasst die Bälle nicht durch.
09:34Es ist eine Schande, wenn das passiert.
09:36Wir können das nicht zulassen, wir müssen angreifen.
09:41Die Zuschauerränge sind gut besucht, wie bei allen Ligaspielen von Las Amazonas.
09:45Softball wird in Mexiko immer beliebter.
09:47Applaus für diese beiden Frauenteams, Las Amazonas und Las Felinas.
10:01Enedina beobachtet das Spiel genau.
10:03Wenn sie einmal nicht mehr aktiv spielt, will sie Mädchen und junge Frauen trainieren
10:07und so den Geist von Las Amazonas weitergeben.
10:10Es geht gut los für die Frauen aus Yashuna.
10:18Schon bald liegen sie einige Punkte in Führung.
10:24Auch die Werferin des Teams, Arely Carillo, zeigt, was sie können.
10:28Als selbsternannte Warriors, also Kriegerinnen, wollen sie ihrem Namen gerecht werden, auch wenn es mal härter zur Sache geht.
10:48Es ist nichts passiert.
10:50Sie spielen noch, sie spielen, sie sind nicht tot, es geht ihnen gut.
10:54Das letzte Inning. Las Amazonas sind nur noch ein Out vom Sieg entfernt.
11:02Und dann ist es soweit. Gewonnen!
11:06Aber wichtiger als das Ergebnis ist ihnen der Respekt, den sie bekommen, auch von ihren Gegnerinnen.
11:14Es ist toll, sie spielen zu sehen. Sie inspirieren uns Hausfrauen zu diesem Sport.
11:24Wir können das. Wir können nicht nur kochen, fegen und uns um die Kinder und den Ehemann kümmern.
11:33Wir können auch Sport treiben, wie die Männer.
11:35Sie haben es weit gebracht. Und sie haben Yucatan alle Ehre gemacht.
11:44Es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
11:49Hey Jessie, wir vergeben dir. Du kannst mit uns mitfahren.
11:53Solange eine Frau das gern macht, was sie macht, ist alles möglich.
11:58So wie wir es als Hausfrauen geschafft haben, den Sexismus in unserer Gemeinde zu überwinden.
12:04Jetzt reisen wir auch viel, auch außerhalb von Mexiko.
12:08Ich möchte, dass meine Enkel stolz auf mich sind, wenn sie Fotos von Las Amazonas sehen,
12:14weil ich eine Kämpferin bin, weil ich Yashuna repräsentiere und weil ich Softball spiele.