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Grimmelshausen und sein Simplicissimus (Portrait, VHS-Rip 1981)
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen

Ein Film von Karl Ebert
Sprecher Hans-Helmut Dickow, Hermann Treusch
Eine Produktion des Südfunkes Stuttgart

Kategorie

Menschen
Transkript
00:00So lange er lebte, war Krieg. Er dauerte 30 Jahre und Hans-Jakob Christoffel von
00:12Grimmelshausen schrieb über ihn den lebendigsten Roman, den Simplicissimus.
00:17Im rechtsrheinisch gelegenen, damals bischöflich-straßburgischen Rännchen,
00:24war er am Ende seines Lebens neun Jahre lang schultheiß. Das Denkmal indessen 300 Jahre
00:32nach seinem Tod errichtet, gilt dem Poeten. Der war weder als Dichter noch als Bürgermeister mit
00:38Glücksgütern gesegnet. Dem hatte der Schwiegervater die Kaution stellen müssen,
00:43damit er den Rathausposten von ihrer bischöflichen Gnaden auch erhielte.
00:47Es gehörte zu seinem Amt, Dörfer und Höfe aufzusuchen, um etwa von der neuen Mühlenordnung
00:59zu berichten. Vor allem aber Zins und Zinseszins einzutreiben von Bauern, die noch weniger besaßen
01:06als er. Abends dann arbeitete der Schultheiß an seinen Geschichten, jetzt schon für Verleger
01:16und für ein wenig Geld. Aber den Simplicissimus, den hatte er nur für sich geschrieben. Der hat
01:23300 Jahre überdauert und wird noch viele überdauern. Der ist, wie Thomas Mann schrieb,
01:28ein Erzählwerk, bunt, wild, roh, amüsant, verliebt und verlumpt, kochend von Leben, mit
01:35dem Teufel auf Du und Du.
01:36Ich wurde durchs Feuer wie Phönix geboren. Ich flog durch die Lüfte, wurd doch nicht verloren.
02:05Ich wandert durch Wasser, ich reist über Land. In solchem Umschwärmen machte ich mir bekannt,
02:11was oft mich betriebet und selten ergätzt. Was war das? Ich hab's in dies Buche gesetzt,
02:17damit sich der Leser gleich, wie ich itzt, tue, entferne der Torheit und lebe in Ruhe.
02:27Es gab keine Ruhe in Grimmelshausens Leben. In Kriegszeiten wurde er geboren, in Kriegszeiten
02:33starb er. Als er 1621 oder 1622, genau weiß man es nicht, im protestantischen Gelnhausen zur Welt
02:41kam, wütete der 30-jährige Krieg bereits drei oder vier Jahre. Sein Geburtshaus stand in der
02:50Schmidtgasse. Es ist, wie fast die ganze Stadt, im 30-jährigen Krieg bis auf die Grundmauer
02:56niedergebrannt. Auf ihnen wurde das jetzige Gebäude errichtet. Grimmelshausen entstammte
03:02einer Bäcker- und Wirtsfamilie. Sein Großvater hatte den Adelstitel abgelegt. Das Adelsgeschlecht
03:08indessen ist an der Werra bei Meiningen bis zurück ins 13. Jahrhundert nachgewiesen. Im
03:15hessischen Gelnhausen ging der junge Christoffel vier bis fünf Jahre lang in die Lateinschule.
03:20Das Wesentliche musste er sich später freilich selbst erarbeiten. Hier nun erlebte der zwölf
03:27bis 13-jährige Christoffel zum ersten Mal plündernde Kroaten die übelste Soldateska
03:33des deutschen Krieges. Koloman nennt ihn einen Krieg der Fürsten unter sich.
03:42Das ist kein Krieg zwischen Staaten, wie sie später wurden oder wie sie zu einem Teil aus
03:48diesem Krieg zum ersten Mal hervorgingen. Es ist ein Krieg zwischen dem österreichischen
03:53Kaiser und den rebellischen böhmischen Ständen, dem König von Spanien und den Holländern. Es
04:00ist auch ein Krieg zwischen den Konfessionen, der Reformation und der Gegenreformation. Da kämpfen
04:06die Spanier und die Habsburger für den katholischen Glauben, Gustav Adolf mit den Schweden, Dänen,
04:11Holländern für den evangelischen. Deutsche aber stehen an beiden Fronten. Und dann ist da vorläufig
04:18noch im Hintergrund Richelieu, der große französische Staatsmann und Kardinal. Zwar sind die Franzosen
04:25selbst katholisch, aber ein großes germanisches Reich unter der Hegemonie des mit Spanien versippten
04:31Habsburg passt ihnen nicht, passt Richelieu nicht. Glaube hin, Glaube her, er hat nur ein Ziel,
04:37la gloire de la France. In diesem Fürstenkrieg kämpfen Söldner aller Nationen. Für geringen Lohn
04:52schlagen sie ihr Leben in die Schanze. Oft erhalten sie gar keinen. Stets sinnen sie daher auf Beute,
04:59sie stehlen, rauben, plündern, morden. Ihre Losung ist, frisch, unverzagt und wacker,
05:04der scharfe Säbel ist mein Acker und Beuten machen ist mein Pflug. Damit gewinne ich Geld genug.
05:12Zu dem Söldner Abschaum gehören Kosaken, Kroaten, Slowenen, Böhmen, Spanier, Franzosen,
05:18Holländer, Dänen, Schweden und Deutsche. Ein Vaterland kannten sie alle miteinander nicht.
05:25Wir haben gar kleine Sorgen wohl um das Römisch Reich. Es sterbt heute oder morgen,
05:30so gilt uns alles gleich. Sie wechseln die Fronten vom Musketier bis hinauf zum General und keine der
05:44Armeen siegt endgültig. Schlachten sind nicht entscheidend. Auch die bei Lützen nicht, in der auf
05:55der einen Seite der schwedische König Gustav Adolf fällt, auf der anderen Wallensteins Feldherr
06:00Pappenheim. Wallenstein selbst aber, der genialste, wenn gleich undurchsichtigste Feldherr des 30-jährigen
06:10Krieges, fällt nicht in der Schlacht. Ihn lässt sein Kaiser, der ihm so viele Siege verdankte,
06:16zusammen mit seinen Offizieren ermorden, weil er Verrat verübt habe. Eine Tat, die nicht ohne Folgen
06:24für die Habsburger bleibt. Sie wird von vielen als Mord bezeichnet, als eine Hinrichtung ohne
06:29Verhaftung und Beweise.
06:456. September 1634. Durch den Pulverdampf der Schlacht bei Nördlingen gelt der Siegesschrei der Spanier,
06:52Viva España, über das Leichenfeld der geschlagenen Schweden hin. Tausende sind gefallen und gefangen.
06:59Von nun an wird ganz Deutschland zum Schlachtfeld, zur Beute aller ausländischen Mächte.
07:14Jetzt eskalieren Mord und Gewalt, entsteht die höllische Welt des Simplicissimus und der
07:19Landstürzerin Kurrasche. Mit den Soldaten durchziehen sie Länder und Schlachtfelder,
07:30fahrendes Volk, samt der dazugehörigen Marketenderin, jedem zu Diensten, wenn er bezahlt.
07:36Vor den Hospitälern aber stehen die hungrigen Kriegskrüppel an, um einen Löffel Suppe. In dieser
07:51Zeit herrschen nur noch Grausamkeit, Qualen, solange bis Deutschland nicht mehr atmen, nur noch
07:57röcheln kann. Die Nördlinger Schlacht beeinflusst auch den Lebenslauf des jungen Grimmelshausen.
08:09Siegestrunkene Kroaten überfallen seine Vaterstadt. Wer nicht in die Wälder geflüchtet ist, wird
08:14umgebracht. Unter den Fliehenden, so ist mit Sicherheit anzunehmen, ist auch der 13-jährige
08:22Christoffel. In seinem Roman, in dem sich ständig Selbsterlebtes und Erfundenes mischen,
08:28schildert Grimmelshausen, wie der junge Simplicius, der nichts weiß und kann, als die Säue zu hüten,
08:33die Ziegen und Schafe, die plündernden Kroaten erlebt. Im Haus seines Vaters, des Knahn, wie er auf
08:40Althessisch genannt wurde. Denn ob zwar etliche anfingen zu metzgen, zu sieden und zu braten, waren
08:48hingegen andere, die durchstürmten das Haus von unten nach oben. Den Knecht legten sie gebunden auf
08:53die Erd und schütteten ihm ein garstig Mistlachen Wasser in Leib. Das nannten sie den schwedischen
08:59Trunk. Unser Markt war dem Stall dermaßen traktiert, dass sie nicht mehr daraus gehen konnte, welches
09:04zwar eine Schand ist zu melden. Meinen Knahn banden sie und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtem Salz,
09:12welches ihm unsere alte Geiß wieder ablecken und dadurch so kitzeln musste, dass er vor Lachen hätte
09:17bersten mögen. Unser Markt im Stall aber, welche wunderwerklich zerstrobert aussah, sprach zu mir
09:23mit kränklicher Stimm, O Bub, lauf weg in Wald, sonst werden dich die Reuter mitnehmen.
09:31So lief er hinein in den Wald, bis er an die Hütte eines Einsiedlers kam, von dem er ein Lied hörte,
09:37das klang wie der Morgensternchoral.
09:39Komm, Trost der Nacht, O Nachtigall, lass deine Stimm mit Freuden Schall aufs Lieblichste erklingen.
09:46Komm, komm und lob den Schöpfer dein, weil andere Vöglein schlafen sein und nicht mehr mögen singen.
09:53Lass dein Stimmlein laut erschallen, dann vor allen kannst du loben, Gott im Himmel hoch dort oben.
09:59Der Einsiedler nimmt sich des Jungen an.
10:05Wie heißt du, fragt er den Buben. Der sagt, ich heiße Bub. Ich sehe wohl, dass du kein Mäglein bist.
10:13Er fragt ihn weiter, wie hat denn deine Mutter deinen Vater gerufen?
10:17Knahn, auch Meister. Hat sie ihn nie anders genennet? Ja, sie hat. Wie dann?
10:24Rulp, grober Bengel, volle Sau und noch wohl anders.
10:27Der Einsiedler bringt dem Jungen das Lesen der Bibel und das Schreiben bei.
10:32Als der Alte nach zwei Jahren sein Ende nahen fühlt, nimmt er Abschied von dem Buben,
10:37den er wegen seiner Einfall Simplicius nennt,
10:40weil weder der Junge noch er selbst den rechten Namen des Buben gewusst hatten.
10:44Als der Alte gestorben ist, begräbt ihn Simplicissimus
10:47und macht sich einige Zeit darauf auf den Weg nach Gelnhausen,
10:50wie ihm der Einsiedler in einem hinterlassenen Brief geraten hatte.
10:57Da es tagte, fütterte ich mich wieder mit Weizen,
11:04begab mich zum nächsten auf Gelnhausen und fand da selbst die Stadttoure dort offen,
11:09welche zum Teil verbrannt und jedoch noch halber mit Mist verschanzt waren.
11:13Ich ging hinein, konnte aber keines lebendigen Menschen gewahr werden.
11:19Hingegen lagen die Gassen hin und her mit Toten überstreut,
11:23deren etliche Gans, etliche bis aufs Hemd ausgezogen waren.
11:27Kaum zween Steinwürfe weit kam ich in die Stadt, als ich mich derselben auch schon satt gesehen hatte.
11:32Derowegen kehrte ich wieder um und kam auf eine Landstraße, die mich nach Hanau führte.
11:37In der von den Schweden besetzten Festung Hanau ist die Not groß.
11:44Flüchtlinge strömen von allen Seiten in die Stadt, aus der man sie möglichst rasch abschieben will.
11:50Also ist geschlossen, dass die Landbettler, fremde Franken und Schwaben mit einem Stück Geld und einem Stück Brot
11:57sollen zu der Stadt hinausgewiesen werden.
11:59Den Besatzern freilich fehlt es an nichts.
12:05Der Gouverneur, Obrist Remsey, lässt aus einer Laune heraus,
12:08dem aufgegriffenen und vorher beim Verhör übel geplagten Simplicissimus,
12:13ein Narrenkleid machen aus Kalbfällen mit einer Kappe und großen Eselsohren.
12:19Er wird es lange tragen, denn hier in Hanau verschleppen ihn mit anderen Jungen marodierende Kroaten.
12:25Bald jedoch kann er entwischen.
12:28Einen Monat später aber ergreifen ihn die Schweden.
12:31Mit ihnen gerät er in den Deutschen Krieg.
12:35Ich durfte Pferde striegeln, ausmisten, auf die Dörfer ausschwärmen, stehlen.
12:42Man plagt und schikaniert die Bauern, schändet wohl auch ihre Mägde, Frauen, Töchter.
12:48Man haut sie nieder, wenn man sie hat, oder schickt zumindest ihre Häuser im Rauch zum Himmel.
12:55Die Abenteuer des Simplicissimus werden in Deutschland zum großen Bucherfolg des 17. Jahrhunderts.
13:19Sie sind Grimmelshausens bedeutendstes Werk von etwa einem Dutzend Erzählungen und Romanen.
13:27Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch, das ist die Beschreibung des Lebens eines seltsamen Vaganten,
13:34genannt Melchior Sternfels von Fuchsheim, überaus lustig und männlich nutzlich zu lesen.
13:41An Tag geben von Germann Schleifheim von Sulzfort.
13:45Eines der raffinierten Anagramme von Grimmelshausen, hinter denen er seinen wahren Namen verbarg.
13:52Es dauerte 150 Jahre, bis er entschlüsselt wurde.
13:56Lessing, Goethe, Schiller, die Romantiker bewunderten Grimmelshausens Werk.
14:01Den wahren Namen des Dichters kannten sie nicht.
14:05Anagramme waren im Barock üblich.
14:07Grimmelshausen aber hat die Kunst, seinen Namen durch Buchstabenumstellung in einem erfundenen Namen zu verstecken,
14:13beherrscht wie niemand in dieser Zeit.
14:15Man kennt 15 seiner Pseudonyme.
14:19Bis heute weiß man nicht, wie er aussah.
14:21Man wird es nie wissen.
14:22War er dies?
14:23Ein geflügelter Kopf, geschmückt mit Lorbeer und Krone?
14:27Hier vermutet man ein Selbstporträt.
14:28Oder war er dies, wie man ihn im Röntgener Rathaus zeigt?
14:35Die roten Haare dürften dabei stimmen.
14:39Die Porträts der simplicianischen Familie könnte er selbst gezeichnet haben.
14:43Die Darstellung des alten Simplicissimus dient wohl deshalb häufig als Vorlage.
14:47Simplicissimus, sein Sohn, sein Knahn, sein Mäuder stehen samt der frommen Ursel hier, wie sie ihn naturell aussehen.
15:09Von den Künstlern, die sein Werk illustrierten, zeichnete ihn A. Paul Weber wohl am überzeugendsten.
15:14Verwegen, mit Federhut und listigen Augen, der Jäger von Soest.
15:21Grimmelshausen, so Gulloman, sieht die Welt von unten, nicht von oben, wie ein Historiker oder ein Biograf.
15:28Simplicissimus hat mehr Glück oder Pech, als Bauernsöhne im Dreißigjährigen Krieg sonst hatten.
15:34Es gelingen ihm die tollkühnsten oder schlauesten Dinge.
15:38Er hat Begegnungen mit Hexen, Teufeln und Gespenstern,
15:42in denen sich Realistisches mit Fantastischem mischt, Wirklichkeit mit Spekulationen.
15:51Als Simplicissimus in der Festung Hanau-Page war und von seinem Gouverneur zum Narren gemacht wurde,
15:57macht er gute Miene zum bösen Spiel.
16:00Er holt sich durch sein Narrenkleid die Narrenfreiheit.
16:03Auf einer Küchenbank gelangt Simplex aus dem Erzstift Fulda ins Erzstift Magdeburg.
16:14Er sagt dazu,
16:15Wer es nicht glauben will, mag einen anderen Weg ersinnen.
16:18In der Barockzeit glaubt man an vieles.
16:26Als Trossbub erlebt Simplicissimus die Belagerung Magdeburgs.
16:30Da geht es nun wieder ganz realistisch zu.
16:34In den Lagern herrscht der Spielteufel,
16:38obgleich jedes Glücksspiel für Offizier und Mann bei Leib- und Lebensstrafe verboten war.
16:42An diesen närrischen Leuten sah man sein blaues Wunder,
16:49weil sie alle zu gewinnen vermeinten, welches doch unmöglich.
16:52Derowegen auch etliche fluchten, etliche donnerten, etliche betrogen.
16:57Etliche begehrten redliche Würfel,
16:58andere hingegen wünschten falsche auf den Platz und führten solche unvermerkt ein.
17:04Unter den falschen Würfeln befanden sich Niederländer,
17:07welche man schleifend hineinrollen musste.
17:09Etliche waren von Hirschhorn, leicht oben und schwer unten gemacht.
17:16Mit ihnen zwackten, lauerten und stahlen sie einander ihr Geld ab,
17:21welches sie vielleicht auch geraubt oder mit Leib- und Lebensgefahr erobert hatten.
17:28So schildert er die Söldner im Feldlager vor Magdeburg
17:32bei der zweiten Erstürmung der Stadt 1636.
17:36Fünf Jahre vorher sollen die Belagerung durch Tilli von 30.000 Einwohnern nur 5.000 überstanden haben.
17:45Jetzt, 1636, leben nur noch 449 Menschen in den Ruinen.
17:51Sie hausen in notdürftig mit Stroh abgedeckten Kellern und in Zelten.
17:56Grimmelshausen nennt daher Magdeburg eine ströherne und steinerne Stadt.
18:01Die Kaiserlichen ziehen weiter nach Wittstock.
18:06Dort werden sie von den Schweden vernichtend geschlagen.
18:12Der Trostbub Grimmelshausen war dabei und lässt Simplicissimus erzählen.
18:18Es ist eine berühmt gewordene Schilderung einer Schlacht.
18:21Unser sauberer und so schöner, hundmachender Profoss
18:43hielt zwar ziemlich weit mit seinen Leuten und den Gefangenen hinter der Bataille.
18:47Ja, gleichwohl aber waren wir unserer Brigade so nahe,
18:51dass wir jeden von hinterwärts an den Kleidern erkennen konnten.
18:54Und als eine schwedische Eskadron auf die Unsere getraf,
19:05waren sowohl wir als die Fechtenden in Todesgefahr.
19:08Dann in einem Augenblick flog die Luft so häufig voller singenden Kugeln über uns her,
19:18dass es das Ansehen hatte, als ob die Salve uns zu gefallen wäre gegeben worden.
19:22Das gräuliche Schießen, das geklepperte Harnische, das Krachen der Picken
19:26und das Geschrei beides der Verwundeten und Angreifenden
19:29machten neben den Trompeten, Trommeln und Pfeifen eine erschreckliche Musik.
19:33Da sah er man nichts als einen dicken Rauch und Staub,
19:56welcher schien, als wollte er die Abscheulichkeit der Verwunden und Toten bedecken.
19:59Da sah er man zerstümmelte Soldaten um Beförderung ihres Todes bitten,
20:04unangesehen sie dem gewissen Tod nahe genug waren.
20:29An der Grenze des Kriegsschauplatzes Deutschland gab es damals im Südwesten ein Land,
20:36in dem es keinen Krieg, keinen Mord und Totschlag, kein Elend, keinen Hunger gab.
20:43Als ich in meinem 17-jährigen Alter noch ein Musketierer und Tragoner war
20:48und im Land derjenigen Völker im Winterquartier lag,
20:51die nach Art der uralten Teutschen zur Anzeigung ihrer angeborenen Beständigkeit
20:56noch Hosen mit Letzt tragen.
20:59Damit dürfte er die Schwarzwälder gemeint haben,
21:02als er in Neustadt und Rottweil war und die Schwabenheit kennenlernte.
21:07Tübingen, den Bodensee und vor allem die Schweiz.
21:09Das Land kam mir so fremd vor gegen die anderen deutschen Ländern,
21:23als wann ich in Brasilia oder in China gewesen wäre.
21:27Da sah ich die Leute in dem Frieden handeln und wandeln.
21:31Die Ställe stunden voll vier, die Bauernhöfe liefen voll Hühner, Gänz und Enten,
21:39die Straßen wurden sicher von den Reisenden gebraucht.
21:45Die Wirtshäuser saßen voll Leute, die sich lustig machten.
21:50Da war ganz keine Furcht nicht vor dem Feind,
21:54keine Sorge vor Plünderung und keine Angst,
21:56sein Gut, Leib, noch Leben zu verlieren.
21:59Ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstock und Feigenbaum,
22:24und zwar gegen die anderen deutschen Ländern zu rechnen,
22:27in lauter Wollust und Freude,
22:30also, dass sich dieses Land vor ein irdisch Paradies hielt,
22:34wiewohl es von Art rau genug zu sein schien.
22:39Eine Beobachtung, wie man sie wieder während der beiden letzten Weltkriege machen konnte,
22:43als die Schweiz neutral geblieben war
22:45und die Länder Europas zerstört,
22:48die Dörfer ausgeplündert,
22:50die Menschen ausgehungert waren,
22:51wie 300 Jahre zuvor.
22:53Immer weiter fraß sich der Krieg nach Deutschland hinein.
23:0333 Schlachten werden bis zu seinem Ende geschlagen.
23:07Ein Viertel der Bevölkerung,
23:08etwa 4 bis 5 Millionen, kommen um.
23:10Flüchtlinge ziehen durch das Land, ohne Heimat, ohne Ziel.
23:23Die letzte habe gebündelt auf dem Rücken.
23:26Verwundete, die zum Bettler werden, wie auch die alten Soldaten.
23:30Flugblätter halten die Not fest.
23:32Der nicht zu reiten hat, zu Fuß im Regen und Schnee laufen muss.
23:39Der gemeine Mann tut Leiden viel,
23:42wenn nur das Leiden hätte ein Ziel.
23:46Und Dichter, wie Andreas Griffius.
23:50Was sind wir Menschen doch?
23:53Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen,
23:55ein Ball des falschen Glücks,
23:57ein Irrlicht dieser Zeit,
24:00ein Schauplatz herber Angst und Widerwärtigkeit,
24:03ein bald verschmelzter Schnee
24:05und abgebrannte Kerzen.
24:08Grimmelshausen kritisiert die Soldat Teska.
24:13Sie wachen nicht,
24:14sie schanzen nicht,
24:15stürmen nicht,
24:17kommen auch in keine Schlachtordnung
24:18und sie ernähren sich doch.
24:20Offiziere schlafen in Zelten,
24:32der Tross und die Soldaten in Stellen
24:33oder im Freien.
24:35Allesamt leben sie von Kontributionen,
24:37Raub und Erpressungen.
24:39Denn
24:39die kriegführenden Fürsten ernähren gering
24:44die Leute, die die Schlachten schlagen.
24:48Am besten geht es den Soldaten,
24:50in den Winterquartieren,
24:51wenn sie sich aus dem Land ernähren können.
24:55Ob nun schwedisch oder kaiserlich,
24:57schreiben können sie alle nicht.
24:59Oft auch Offiziere nicht.
25:02Grimmelshausen dürfte das schon
25:03zu den Ausnahmen gezählt haben.
25:05Als er noch ein rotziger Musketierer war,
25:08hat er bereits am Simplicissimus geschrieben.
25:10Wohl auch,
25:11als er mit der Götzschen Armada
25:13nach Westfalen, nach Soest kam.
25:15Dort lässt man es sich im Kloster Paradeis,
25:18inmitten hübscher Kloster Jungfrauen,
25:19Wohlergehen,
25:21liest man im Simplicissimus.
25:23Die Wirklichkeit dürfte anders ausgesehen haben.
25:26Als nun der 17-jährige Trossbub reich wird
25:28und von seinem kargen Dragone-Hauptmann
25:31eine große Anzahl Dukaten erbt,
25:33die der Haudegen in seine alten Hosen
25:35hatte einnähen,
25:36macht er sich zum Jäger von Soest.
25:38Ich ließ mich grün kleiden,
25:41weil mir der Name eines Jägers sehr gefiel.
25:44Ich war so dreist,
25:45meinen Hut mit einem Federbusch zu schmücken
25:47wie ein Offizier.
25:49Ein fescher Jäger,
25:51der gleichzeitig mit sechs Mädchen schäkert
25:53und, nicht ganz zufällig,
25:55mit einer hübschen Gejagten im Bett liegt.
25:57Ich wusste zwar wohl,
26:00warum ich da war,
26:01auch was und wie ich suchen sollte,
26:04aber da war alles umsonst,
26:06weil ihr Abscheu allein
26:07auf Ehre und Ehestand gegründet war.
26:10Doch könnte sie mir
26:11neben ihr im Bett liegen zu bleiben,
26:13auf welche mich auch ganz ermüdet
26:14vor Unmut einschlummerte.
26:16Ich wacht aber gar ungestüm aufgeweckt,
26:19denn morgens um vier
26:20stand der Obrist-Leutnant
26:21vor dem Bette mit einer Pistole in der Hand.
26:23Dann lässt der Herr Oberst
26:27den Pfarrer kommen.
26:31Da aber der Graf von Götz,
26:32des Simplicissimus oberster Chef,
26:35am Oberrhein wieder den Fürsten von Weimar
26:37agieren musste,
26:38nimmt der junge Ehestand
26:39ein jähes Ende.
26:41Breisach am Oberrhein.
26:43Eine Festung uneinnehmbar jahrhundertelang.
26:46Im Dreißigjährigen Krieg
26:47gehörte sie zunächst zu Habsburg
26:48und den vorderösterreichischen Landen.
26:51Wer Breisach besaß,
26:52beherrschte den Rhein.
26:54Über die Rheinbrücke,
26:55auf der des Simplicissimus Freund
26:56Herz Bruder verwundet
26:58und in den Fluss geworfen wurde,
27:00gelangte lange Zeit Nachschub
27:01in die Festung.
27:02Aber nun erscheint Bernhard von Weimar,
27:05Heerführer der Schweden und Franzosen
27:06mit einer starken Armee.
27:08Ihm hatte Richelieu in einem Geheimvertrag
27:10die Grafschaften Hagenau und Elsass
27:12zugesichert, wenn er sie erobere.
27:15Doch die Belagerung des kaiserlichen Breisach
27:17zog sich über Monate hin.
27:19Alle Angriffe Bernhards von Weimar
27:21blieben erfolglos.
27:21Die Bevölkerung,
27:23zum Aushungern verurteilt,
27:24ernährte sich von Hunden, Katzen, Ratten, Mäusen,
27:27ja die Gefangenen im Turm,
27:29vom Fleisch Verstorbener.
27:31Nach einem halben Jahr
27:33kapitulierte die Stadt schließlich.
27:38Die Schlüsselstellung der Kaiserlichen am Rhein,
27:41das Tor nach Deutschland, war gefallen.
27:43Bernhard von Weimar zog mit seinen Truppen
27:46Schweden, Franzosen und Deutschen
27:47in Breisach ein.
27:49Das ganze Elsass mit Straßburg
28:13war jetzt von Truppen im französischen Sold besetzt.
28:16Der Fürst aus Weimar war dabei,
28:19ein Herzog des Elsass zu werden.
28:21Aber er hatte nicht die Rechnung
28:22mit dem Schicksal gemacht.
28:24Es ließ ihn im Alter von 35 Jahren
28:26von einem Tag zum anderen
28:28an einer fiebrigen Erkrankung sterben,
28:30eben als er seine Truppen
28:32über den Rhein gebracht
28:33und Offenburg belagern wollte.
28:35Viele glaubten,
28:37Richelieu habe ihn vergiften lassen.
28:38Grimmelshausen gelangt nach Offenburg.
28:45Die bedeutendste Stadt
28:46der damaligen Landgrafschaft Ortenau
28:49war zwar auch eine Festung,
28:51besaß aber nicht die strategisch günstige Lage
28:53wie Breisach.
28:55Und doch war sie der Schlüssel
28:56zum Kinzigtal
28:57und zum Schwarzwald-Kniebispass.
28:59Gegen die 5 bis 7 Meter hohen Mauern
29:06war Bernhard von Weimar
29:07zwei Jahre vorher schon mit 40 Leitern
29:10und 1200 Musketieren
29:12vergeblich angerückt.
29:14Sie wurden mahnlich, wie es heißt,
29:16unter Zurücklassung einiger gequetschten
29:18und fünf Wagen mit Toten abgeschlagen.
29:21Es blieb der einzig ernsthafte Versuch,
29:25Offenburg zu erobern.
29:28Der Mühlgraben bot einen weiteren Schutz.
29:30Dennoch,
29:31längst waren die meisten Bewohner
29:33in andere Länder ihrer Nahrung nachgezogen,
29:36wie es im Ratsprotokoll heißt.
29:38Der Restbevölkerung bot im Ernstfall
29:40das Kapuzinerkloster Schutz,
29:42dessen Schonung sogar Ludwig XIV. garantiert hatte.
29:47Ständig war die Stadt von Überfällen bedroht
29:49und zu Kontributionen gezwungen.
29:51So hält das Ratsprotokoll den Eintrag fest,
29:54dass der schwedische Generalfeldmarschall Horn
29:5640.000 Gulden forderte,
29:58sonst müsse man der Plünderung
30:00und Brandschatzung gewärtig sein.
30:09Neun Jahre weilte der Musketier Grimmelshausen
30:12in der Stadt als Schreiber
30:14dem Offenburger Regimentssekretarius Witsch zugeteilt,
30:17einem Magister aus dem Elsass,
30:19der ihn wohl zu der Zeichnung
30:20der Offenburger Festungsanlage bewog.
30:23Auch zu der von Geroldseck.
30:32Magister Witsch brachte seinem gelehrigen Schüler
30:34wohl auch die kunstvolle Barockschrift bei.
30:36Bei manchen Briefen und Adressen
30:39sind zwischen Lehrmeister und Schüler
30:40kaum Unterschiede festzustellen.
30:42Obrist Hans Reinhard von Schauenburg,
30:48der Festungskommandant,
30:49war ein weiterer Förderer des jungen Musketiers,
30:52der ihm nach seiner Abdankung
30:53aus dem Offenburger Regiment
30:55nach dem Westfälischen Frieden 1648
30:57eine Existenz auf seinen Gütern
31:00bei Oberkirch anbot.
31:03Sie ermöglichte es dem jungen Grimmelshausen,
31:05die Tochter des Obrist-Wachtmeisters Henninger
31:08aus Zabern im Elsass,
31:10am 30. August 1649
31:12in der Heiligkreuzkirche
31:14zu Offenburg zu heiraten.
31:17Die Trauung wurde katholisch vollzogen.
31:20Spätestens zu diesem Zeitpunkt
31:22dürfte er konvertiert sein.
31:27Das Ehepaar Grimmelshausen
31:29zog wenige Tage nach der Hochzeit
31:31ins Rennchtal,
31:32das die Ruine Schauenburg überragt,
31:35nach der sich seine Herrschaft nannte.
31:36Ihre Ländereien und Grundstücke
31:39sollte Grimmelshausen als Schaffner verwalten.
31:42Sie sind nach dem Krieg
31:43ebenso zerstört wie die Höfe der Bauern.
31:45Das Vieh ist gestohlen,
31:46das Rebland musste neu angelegt werden,
31:49Erträge waren erst in ein paar Jahren zu erwarten.
31:52Heute präsentiert sich dort
31:53die fruchtbarste Landschaft Deutschlands,
31:55in der ein herrlicher Wein,
31:57Obst und Edelkastanien gedeihen
31:59und in der Goethe
32:00Himmelsluft fühlte,
32:02warm, freundlich,
32:03einen willkommenen Atem.
32:05Hier war nun
32:07der recht komplizierte Wirkungskreis
32:08des Gutsverwalters von Geisbach.
32:11Ihm oblagen unter anderem
32:12die Wirtschafts- und Vermögensverwaltung,
32:15die Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit,
32:17das Einziehen der Steuer
32:18und des Lehenszinses.
32:21Das gelang nicht immer,
32:21da die Bauern total verarmt waren.
32:24Die Schauenburger kamen kaum zu Einnahmen
32:26und erhoben Vorwürfe.
32:28Nach acht Jahren
32:29trennte man sich im Guten.
32:30Der entlassene Schaffner
32:32versuchte sich
32:33ohne Erfolg als Gastwirt.
32:39Aber da wurde für die Ullenburg,
32:42von der kein Stein mehr steht,
32:44ein Schaffner und Burgvogt gesucht.
32:46Ihr Besitzer war der
32:47Straßburger Modearzt Dr. Küfer,
32:49ein repräsentatives Mitglied
32:51der Straßburger
32:52aufrichtigen Tannengesellschaft.
32:55Auf Küfersburg konnte Grimmelshausen
32:57die wertvolle Bibliothek benutzen
32:59und in Straßburg
33:00die der Tannengesellschaft.
33:02Dort war er häufig.
33:04Hier fand er überdies
33:05Kontakte zum geistigen Leben der Stadt.
33:08Die Sprachkünstler
33:09der Tannengesellschaft jedoch
33:11mit dem von ihnen propagierten
33:13gestellsten Stil
33:14lehnte er ab.
33:16Und diese Aversion
33:17könnte drei Jahre später
33:19zur Auflösung seines Arbeitsverhältnisses
33:21auf der Ullenburg geführt haben.
33:23Genaues weiß man nicht darüber.
33:27Abermals suchte er eine Existenz,
33:34um Frau und Kinder zu ernähren.
33:36Zehn sind es schließlich gewesen,
33:38von denen vier früh gestorben sind.
33:40Jetzt bezog er in Geisbach
33:41den silbernen Stern.
33:43Als Wirt schrieb er
33:44sein bedeutendstes Buch zu Ende,
33:46den Simplicissimus Teutsch.
33:48Nebenher betätigte er sich
33:50als Pferde- und Weinhändler
33:51auch als Rechtsberater der Bauern.
33:53Von allem verstand er was.
33:57Sicher saßen in seiner Wirtsstube
34:15nie so viele Gäste wie heute,
34:17wenn die Geisbacher Rentner
34:18sich zum Stammtisch treffen.
34:19Denn der Ort hatte noch ein zweites
34:21Wirtshaus und nur etwa 150 Einwohner.
34:23Da wird Grimmelshausen im silbernen Stern
34:26oft sein einziger Gast gewesen sein.
34:29Bei all diesen Beschäftigungen
34:30mit winzigem Einkommen
34:32ist er noch Messner und Kirchenpfleger
34:33der St. Georgskapelle.
34:35Er führt ein Leben voller Unrast und Sorge.
34:37O wunderbares Tun,
34:40O unbeständigs Stehen!
34:43Wann einer wähnt, er stehe,
34:45so muss er förder gehen,
34:46O schlüpferigster Stand,
34:49dem für vermeinte Ruh schnell
34:50und zugleich der Fall sich nähert zu,
34:53gleich wie der Tod selbst tut.
34:56Was solch hinflüchtig Wesen mir habe
34:58zugefügt, wird hierinnen gelesen,
35:00woraus zu sehen ist,
35:02dass Unbeständigkeit allein beständig sei,
35:05immer in Freude und Leid.
35:09Das Rennchtal wurde Grimmelshausens Wahlheimat.
35:13In den Sauerbrunnenbädern
35:14Petersthal und Griesbach
35:16lässt er den Simplicius
35:18die Landstörzerin Courage treffen.
35:20Die ihm alle Vergünstigungen,
35:23die er hatte wünschen können
35:25und begehren mögen, gewährt hatte.
35:27Aber so gern er auch
35:29bei den Stutzern der Bäder war,
35:31so gern war er auch
35:32im Kloster Allerheiligen.
35:34Mit dem Abt mag er
35:34an dessen Fischteich gesessen haben.
35:37Gewiss aber in der Bibliothek.
35:40Mit ihren 20.000 Bänden
35:41die reichhaltigste im weiten Umkreis.
35:44Sie blieb wie durch ein Wunder erhalten,
35:46als das Kloster 1804
35:48durch Blitzschlag vernichtet wurde.
35:51Grimmelshausen hat sie viel genützt.
35:53Einer seiner Söhne
35:54war Klosterschüler in Allerheiligen.
35:56Auch seinetwegen
35:57war er dort ein häufiger Gast.
36:12Hier oben wird er die Anregung bekommen haben,
36:15Simplicissimus in das Geisterreich
36:17des Mummelsees,
36:19das Zentrum Terre,
36:21mit den Sylphiden hinabwabern zu lassen.
36:24Wo er mit dem Fürsten
36:25diskuriert und verwunderliche
36:28und abenteuerliche Sachen vernommen.
36:30Mit einem Zauberstein,
36:32der überall Sauerbrunnenwasser sprudeln lässt,
36:34wenn man ihn auf die Erde legt,
36:36wird er mit selbstverständlich
36:38trockenen Kleidern entlassen
36:40und trifft auf ein paar Waldbauern,
36:42die mit dem Harz zu tun hatten.
36:44Ich hinterschlich sie unversehens und sagte,
36:50gute Nacht oder guten Tag oder guten Morgen oder guten Abend,
36:53ihr Herrn, sagt mir doch zuvor, um welche Zeit es sei,
36:57damit ich euch danach zu grüßen wisse.
36:59Da standen und saßen alle Sechse
37:02und wussten nicht, was sie mir antworten sollten.
37:05Wie, sagte ich, will mir denn keiner antworten?
37:09Sie blieben aber noch eine Weile erstaunt,
37:12bis endlich einer sagte,
37:15wer ist dann der Herr?
37:17Da hörete ich, dass es eine schwäbische Nation sein müsste,
37:22die man zwar, aber vergeblich
37:24für einfältig schätzt,
37:26sagte derowegen, ich sei ein fahrender Schüler,
37:29der jetzt so aus dem Venusberg komme.
37:32Aha,
37:34antwortet der älteste Bauer.
37:38Jetzt glaube ich Gottlob,
37:39dass ich den Frieden wieder erleben werde,
37:42weil die fahrenden Schüler wieder anfangen zu reisen.
37:45Als er ihnen den Sauerbrunnen antrug,
37:48wollten sie ihn totschlagen.
37:50Jetzt war ihm klar, was sein Gnan gemeint hatte,
37:52als er in den Mummelsee hinunterstieg.
37:54Dass ich nämlich von dieser Wallfahrt
37:56nichts als müde Bein und den Hergang
37:58für den Hingang haben würde.
38:00Nur drei seiner Schriften
38:01trugen den Autorennamen Grimmelshausen.
38:04Darunter die religiös-theologische Kritik
38:06Ratio Status,
38:08die er Herrn Kraften zu Kreilsheim,
38:11einschließlich seiner Geburtsortsangabe,
38:13Geln Husano, widmete.
38:14Dies sollte 1837
38:17den schwäbischen Dichter Hermann Kurz
38:19zur Namensentdeckung des Dichters
38:21des Simplicissimus und seiner Werke führen.
38:24Denn, so folgerte Kurz,
38:25eine Widmung an eine lebende Person
38:28kann nur unter dem wahren Verfassernamen erfolgen.
38:36Trotz seines großen Fleißes
38:38auf einen grünen Zweig
38:39kam Grimmelshausen nicht.
38:41Was für ein Glück,
38:43dass ich ihm nach zweijähriger,
38:44erfolgloser Gastwirtstätigkeit
38:46die Gelegenheit geboten hatte,
38:48schuldheiß in Rännchen zu werden.
38:54Eine Stellung,
38:55die er neun Jahre besaß.
38:57Sie sicherte ihm ein zwar geringes,
38:59aber festes Einkommen
39:00und ließ ihm vor allem
39:01mehr Zeit zum Schreiben.
39:06Fünf Jahre lang ging alles gut.
39:09Fünf Jahre lang war Friede.
39:10Das Land war wieder bestellt,
39:12Höfe und Dörfer restauriert.
39:14Aber nun begannen die Raubkriege
39:16Ludwigs des Vierzehnten
39:16gegen Holland.
39:19Habsburg schützte die
39:20vorderösterreichischen Lande
39:21am Oberrhein
39:22mit einer starken Armee,
39:23da die Franzosen vorhatten,
39:26das Land bis zu den Schwarzwaldhöhen
39:27hinauf zu okkupieren.
39:331675 wird die Ortenau,
39:36werden vor allem Rännchen,
39:37Achan, Sassbach
39:38abermals zum Aufmarschland
39:40der Franzosen.
39:42Es ist wieder wie im
39:43Dreißigjährigen Krieg.
39:44Die Bewohner flüchten in die Wälder,
39:46das Vieh wird geraubt,
39:48im Land herrscht die französische Armee.
39:53Ihr Befehlshaber ist Marschall Türen
40:03und Grimmelshausen,
40:0555-jährig,
40:06wird wieder Soldat.
40:09Ob er in den Reihen
40:10der regulären kaiserlichen Armee
40:12des Generals Monte Cuccoli
40:13gestanden hat,
40:14weiß man nicht.
40:16Vermutlich gehörte er zur Landwehr.
40:20Bei Sassbach,
40:21ein paar Kilometer von Rännchen entfernt,
40:23stoßen die kaiserlichen Truppen
40:25auf Türen und seine Armee.
40:27Türen fällt,
40:29die Franzosen werden geschlagen.
40:44Und bis zum heutigen Tag
40:46ist das Revier seines Todes
40:48französisches Territorium
40:50im badischen Land.
40:51Eine Enklave,
40:52rechts des Rheins,
40:54ein französisches Denkmal
40:55auf deutschem Boden,
40:57das 300 Jahre
40:58Kriege und Frieden überdauerte.
41:01Es ist anzunehmen,
41:02dass Grimmelshausen
41:03den Tod Türens
41:04aus nächster Nähe erlebt hat,
41:06als Landsturmmann,
41:07der ein Musketierer
41:09und Tragoner gewesen.
41:10Das Jahr darauf dann
41:14starb der Schultheiß und Poet
41:16von Rännchen,
41:1856-jährig,
41:19am 17. August 1676.
41:24Im Kirchenbuch
41:26hat ihn der Pfarrer von Rännchen
41:27von sich aus geehrt.
41:29Der Eintrag wurde zum einzigen
41:31Nekrolog damals
41:32auf den Dichter.
41:33Es starb im Herrn
41:38der Ehrenwerte
41:40Großangeist und Bildung
41:42Johann Christoph von Grimmelshausen
41:45Schuldheiß dieses Ortes.
41:47Hoch über dem Rännchtal
41:56in die Einsamkeit des Moskops
41:58wollte sich der alte Simplicissimus
42:00am Ende seines bewegten Lebens
42:02zurückziehen,
42:03um der Welt Adieu zu sagen.
42:06Mit der Schilderung
42:07dieser Landschaft,
42:08der ersten in der deutschen Literatur
42:09überhaupt,
42:11ehrt Grimmelshausen
42:12die so schöne Landsgegend,
42:14die ihm ans Herz gewachsen war.
42:17Ich wohnete
42:20auf einem hohen Gebirg,
42:21die Moss genannt,
42:23so ein Stück vom Schwarzwald
42:24und überall mit einem
42:25finstern Tannenwald
42:26überwachsen ist.
42:28Von demselben
42:29hatte ich ein schönes Aussehen
42:30gegen Aufgang
42:31in das Oppenauertal
42:32und dessen Nebenzinken,
42:34gegen Mittag
42:35in das Kinzigtal
42:36und die Grafschaft
42:37Geroldseck,
42:37all wo dasselbe
42:38hohe Schloss
42:39das Ansehen hat
42:40wie der König
42:41in einem aufgesetzten Kegelspiel.
42:44Gegen Niedergang
42:45konnte ich das Ober- und Unterelsass
42:46übersehen
42:47und gegen Mitternacht
42:50der Niedernmark-Grafschaft
42:52Badenzu
42:52den Rheinstrom hinunter,
42:56in welcher Gegend
42:57die Stadt Straßburg
42:58mit ihrem hohen Münsterturm
43:00gleichsam wie das Herz
43:02mitten mit einem Leib
43:04beschlossen
43:05hervorpranget.
43:05und hervorpranget.
43:06und hervorpranget.
43:07und hervorpranget.
43:08und hervorpranget.
43:09und hervorpranget.
43:10und hervorpranget.
43:12die Stadt
43:14und hervorpranget.
43:15und hervorpranget.
43:15und hervorpranget.
43:16und hervorpranget.
43:17und hervorpranget.
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43:21und hervorpranget.
43:22他 forums
43:23er不会
43:24steiget board
43:25mit ihrem Groken
43:27deiner
43:27glück
43:28und hervorpranget.
43:30und hervorpranget.
43:31immeie
43:31die Stadt
43:35Amen.

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