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  • 13.5.2025
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Transkript
00:00Regen
00:30Regen
01:00Regen
01:30Regen
01:52Tja
01:53Wenn Sie an einen Chef geraten, der nicht Nein sagen kann, da hat man gleich tausend Verpflichtungen auf dem Hals.
02:02Da muss man sich die Zeit stehlen, um seinen Interessen nachzugehen.
02:06Handarbeiten, Muster entwerfen für Wandteppiche, lesen.
02:11Wollen wir uns nichts vormachen.
02:13Die Überbelastung des Lehrers ist groß.
02:16Er muss der kommenden Generation auf den Weg helfen.
02:18Denn von seiner Einstellung zur Gesellschaft wird viel mehr verlangt als von anderen Berufstätigen.
02:24Das ist richtig.
02:26Aber manchmal hat man die Kraft nicht.
02:30Da denkt man sich, lasst mich bloß zufrieden, schreibt, was ihr wollt, denkt euch was aus, aber lasst mich zufrieden.
02:38Ich weiß nicht, wie es an anderen Schulen ist, aber an unserer Schule wird die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder sehr ernst genommen.
02:45Wenn es Schwierigkeiten gibt, wird jeder Lehrer erst nach den Ursachen fragen und den Fehler bei sich selbst suchen.
02:55Das ist vielleicht noch nicht typisch, aber das ist typisch für unsere Schule.
03:00Darum fühle ich mich dort auch so wohl und geborgen.
03:04Ich meine solche schwachen Momente, dass man einfach Zettel an die Eltern schreibt oder Eintragungen ins Hausaufgabenheft vornimmt, weil man nicht weiterkommt, die haben wir auch.
03:11Aber wenn wir merken, dass ein Lehrer das zu intensiv betreibt, dann sprechen wir mit ihm und suchen andere Wege.
03:23Unser Chef ist kein besonders guter Leiter.
03:26Ich meine, ein Leiter muss auch mal treten können.
03:30Ja?
03:30Ich meine, wirklich treten.
03:34Nicht seine engsten Mitarbeiter.
03:37Meinetwegen, wie es bei uns war, dass Schüler strafversetzt werden an unsere Schule, wir wollen sie aber nicht haben.
03:44Unser Chef kann nicht Nein sagen.
03:46Der kann nie wieder borstig sein.
03:49Er hat sehr viel menschliche Vorzüge, viel Geist, er macht alles auf die ruhige menschliche Tour.
03:54Und das ist für die Kinder gut.
03:56Aber da wir noch nicht im Kommunismus leben und oft so unterschiedlich sind und auch Eigenarten haben, die für einen Lehrer nicht gut sind, kann man nicht einfach alles laufen lassen.
04:07Manchmal macht es Spaß mit ihm, wenn man mitregieren kann.
04:11Aber wiederum möchte man auch wissen, mache ich meine Arbeit gut, ist man zufrieden mit mir.
04:17Unser Chef hat die Devise, du weißt ja selbst, was du zu tun hast, ich verlasse mich auf dich.
04:22Warum ich Lehrerin werden wollte, kann ich Ihnen auf Anhieb sagen.
04:29In der Unterstufe hatten wir einen Lehrer, der war nicht beliebt.
04:31Der hat Schüler vorgezogen, andere ungerecht behandelte und hat die Kümmernisse der Kinder als Lappalien abgetan.
04:38Aber in der fünften Klasse kriegten wir neuen Klassenleiter.
04:42Probleme, die ich mit meiner Mutti hatte, hat er geklärt wie ein Vater und nicht nur bei mir, sondern bei allen.
04:47Der hat gewusst, dass man Schule und Freizeit nicht trennen darf und dass man immer da sein muss für seine Klasse.
04:56Das hat dann solche Ausmaße angenommen, dass von 27 Schülern 13 Lehrer werden wollten.
05:01Und nur einer ist angekommen.
05:04Ich bin auch nicht angekommen.
05:07Aber mein Traum war es eben.
05:08Ich wollte werden wie er.
05:12Da musste ich den gleichen Beruf haben, musste Genosse werden.
05:15Ich musste alles so machen, wie er es gemacht hat.
05:20Nun hatte ich ein bisschen Fähigkeiten in Chemie und da habe ich erst mal bei Erdgas angefangen.
05:26Dann war es aber so, dass mein Mann, den ich schon kannte, von der Armee zurückkam
05:29und wir bei Zeiten ein Kind gekriegt haben.
05:32Damals war es mit Krippenplätzen noch schlecht.
05:34Da hieß es, was wollen Sie denn, Sie haben doch einen Ernährer.
05:38Da bin ich zu Hause geblieben.
05:44Ich habe bei Schwiegermutter gewohnt.
05:46Und die Großmutter von meinem Mann hat auch da gewohnt.
05:49Wenn so viele Generationen in zwei Zimmern hausen, dann gibt es Krieg.
05:53Und wenn man die Schlacht nicht kämpfen darf, dann geschieht es eben im ehelichen Bett.
05:57Ist Fakt.
05:58Da lässt man den Mann gar nicht mehr ran, vor lauter Gnatz.
06:02Ich sah nur einen Ausweg.
06:05Wir bewerben uns in einer Neustadt.
06:08Zum Schnellsten eine Wohnung und einen Krippenplatz.
06:12Na ja, zu einer guten Ehe gehört auch Geld.
06:17Bin erst mal Pionierleiterin geworden.
06:20Hab einen schweren Start gehabt, aber immer den großen Traum vor Augen, einmal Lehrer sein.
06:26Die FDJ hatte sich damals ziemlich einfach gemacht, indem sie Pionierleiter einstellte, die keinerlei pädagogische Ausbildung hatten.
06:34Die haben sie dann auf die Kinder losgelassen.
06:36Ich hatte immerhin 500 Mark ausbezahlt.
06:42Da verdienen die Frauen bei Erdgas ihr Geld schwerer.
06:44Dann hatten wir also eine schöne Zwei-Zimmer-Wohnung.
06:53Wir sind nicht prüde.
06:54Nicht, dass ich nicht mit Stefan bade oder nie nackt herumlaufe, aber Stefans Bett stand neben unseren beiden Ehebetten.
07:02Und da gab es ja auch Zeiten, wo das von uns betrieben wurde.
07:09Und Stefan immer daneben.
07:11Der war schon drei.
07:13Da habe ich gesagt, wir ziehen um.
07:16Haben durch Zufall nach Schwedt getauscht.
07:18Die Zwei-Zimmer-Wohnung gegen eine schöne Drei-Zimmer-Wohnung.
07:22Alles bestens.
07:22Zu der Zeit habe ich auch mit der Ausbildung angefangen.
07:26Ein halbes Jahr Direktstudium und dann drei Jahre Fernstudium.
07:31Stefan war während des ersten halben Jahres bei meinem Mann.
07:33Der hat voll die Pflichten übernommen.
07:35Daher resultieren auch seine Kenntnisse im Kochen und bei der Wäschepflege.
07:41Werner ist von Beruf Werkzeugschlosser.
07:44Hat auch ein Studium angefangen.
07:47Hat es wieder aufgegeben.
07:49Mir zuliebe, weil ich weiter wollte.
07:52War aber auch viel Ausrede.
07:56Hat wenig Lust zum Studieren.
08:00Der übt seinen Beruf ja gerne aus.
08:02Verdient auch ordentlich Geld damit.
08:04Und somit ist alles bestens.
08:08Bringt natürlich auch Probleme mit sich.
08:11Als ich mit dem Studium angefangen habe, da war ich klein und unwissend.
08:17Aber ich bin wirklich mit dem Studium gewonnen.
08:20Als ich allein hause, da hat er mir Geld geschickt.
08:23Recht knapp.
08:23Und ich habe mir das gefallen lassen.
08:25Ich meine, zu Hause konnten wir auch keine großen Sprünge machen.
08:28Und während des Studiums musste man Maß halten.
08:30Wohnungseinrichtung zusammenkriegen.
08:32Kostgeld im Internat bezahlen.
08:34Nach den drei Jahren ließ ich mir nichts mehr dreinreden.
08:39Ich akzeptierte keinerlei Zuteilung mehr.
08:42Ich wollte einfach raus aus der Enge, egal mit welchen Mitteln.
08:44Ich bin keine Feine.
08:46Da gab es dann solche Momente von Kaufwut, wo ich einfach für 200 Mark Schallplatten und Bücher kaufte.
08:51Um ihm zu beweisen, ich bin wer.
08:57Wir haben oft eine Woche nicht miteinander gesprochen.
09:00Dann habe ich wieder wortstark versucht, die Gleichberechtigung durchzuziehen.
09:03Ich meine, wenn man gut verdient, muss man nicht unbedingt auf dem Geld sitzen bleiben.
09:06Man muss nicht unbedingt auf dem Auto sparen.
09:08Man kann sich auch geistige Nahrung verschaffen.
09:12Was ich auch nachzuholen hatte, war modische Kleidung.
09:15Wir stritten immer um Geld.
09:17Und das Problem ist jetzt geklärt.
09:22Dafür kommen andere auf uns zu.
09:26Meintetwegen, dass sich schlechte Charaktereigenschaften bemerkbar machen.
09:30Ich meine, in der Schule stellt man was dar.
09:34Da muss man eben ab und zu kommandieren.
09:39Und das kann ich zu Hause oft nicht abstellen.
09:45Stefan kennt das, der richtet sich danach.
09:48Aber bei Werner ist das so, dass er irgendwie doch Mann sein will.
09:53Er ist ein ruhiger Partner, aber oft wird es ihm zu viel.
09:57Eigentlich spreche immer ich.
10:00Und er sagt, ja, oder, ach, hör auf, du willst immer Recht haben.
10:04Damit ist dann die Auseinandersetzung gelaufen.
10:08Ich komme mir vor wie ein Arbeiter, der seinen Verbesserungsvorschlag macht.
10:11Und der Chef hat nie Zeit.
10:13Da denkt man sich dann, du kannst nicht mal.
10:21So ist es bei uns.
10:23Wir lieben uns.
10:29Keiner hat die Absicht, sich scheiden zu lassen.
10:32Aber dieses...
10:34Lass dich doch plappern und lass doch alles so weiterlaufen.
10:38So eine Trotzreaktion, dass man meinetwegen mal fremd geht, weil man so gnatzig auf den anderen ist, die gibt es bei uns nicht.
10:54Ich hatte nur ein einziges Erlebnis.
10:58Vor Jahren war unser ganzes Pionierleiter-Kollektiv in der GSSR.
11:01Lauter Weibchen, wie das so ist.
11:03Wir waren auf einer Berghütte und da gab es auch diesen Urlauber aus Prag.
11:07Groß, blond, braun gebrannt.
11:11Auf diesen Typ flog die ganze Mannschaft.
11:13Für mich stand das Problem Fremdgehen überhaupt nicht.
11:16Ich war einfach das erste Mal im Ausland, weg von meinem Mann ohne Pflichten.
11:20Ich war außer Rand und Band.
11:22Und ausgerechnet mich hat dieser Mann als die schönste empfunden.
11:26Ist Fakt.
11:27Nun kann man in einem Kollektiv schlicht irgendwelchen Zauber veranstalten.
11:34Aber es gab Küsschen mit Spazierengehen und Händchenhalten.
11:37Jawohl.
11:38Und das war so intensiv, dass ich mir im Mai darauf, zu meinem Geburtstag, eine Reise nach Prag wünschte.
11:46Die mein Mann finanzierte.
11:49Vielleicht war es gut, vielleicht war es schlecht, ich weiß es nicht.
11:53Am Tag, als ich fahren sollte, da hat mein Mann alles erfahren.
11:55Er kam angebraust, hat die Wohnungstür zugeschlossen, Schlüssel weg und draußen wartete ein Taxi.
12:01Ah, das affig.
12:05Ich hab's aufgegeben.
12:07Männer sind ja triebhafter als Frauen.
12:09Und als ich den Tschechen nicht so bald wiedersehen konnte, da schlief eben von seiner Seite alles ein.
12:14Jedenfalls hab ich dann gewusst, dass die Arbeit, die ich mit Kosmetik leiste, etwas nützt.
12:21Damit wir uns recht verstehen, Flirt reicht mir.
12:25Vielleicht bin ich nicht an den richtigen Mann geraten.
12:35Oder ich bin wirklich so, ich weiß es nicht.
12:40Ich mag weder gern küssen noch einen Beischlaf haben.
12:44Werner ist zum Glück ein ausgeglichener Partner, ich weiß nicht, ob er es braucht.
12:47Jedenfalls wird das bei uns selten betrieben.
12:51Nur als wir ein Baby wollten, da war das so intensiv, dass es sogar ihm zu viel wurde.
12:55Werner hat sich das abgewöhnt in den 13 Jahren.
12:58Und ich vermisse nichts.
13:00Ich sage, wie es ist.
13:02Vielleicht haben wir die Technik nicht raus.
13:06Werner hatte ja vor der Ehe viele Frauen, wie das bei der Armee so üblich ist.
13:09Aber für mich war er der erste Mann.
13:13Und wird es auch bleiben.
13:15Ich habe nichts vom Beischlaf, warum soll ich mir noch einen anderen suchen?
13:19Ich empfinde es nicht als schön.
13:23Es ist eine Belastung.
13:25Ich tue so, als ob ich mich hingebe, um Werner eine Freude zu machen.
13:34Zuerst habe ich gedacht, er kriegt es mit.
13:37Aber glaubt dran.
13:41Zärtlichkeiten.
13:42Tja, die habe ich gern.
13:45Wenn Werner nach Hause kommt, wenn ich mich auf seinen Schoß setzen kann, um ein bisschen gekuschelt zu werden.
13:50Aber das artet dann gleich so aus, da könnte ich das erstbeste Stück werden.
13:55So wütend werde ich.
13:57Früher war nichts Schlimmes dabei, wenn eine Frau kalt war.
14:00Heute macht man sich Gedanken, weil so viel über diese Dinge gesprochen wird und wie wichtig sie angeblich sind.
14:05Ich meine, ich habe nicht direkt Komplexe, deswegen ich müsste nur mehr an mir arbeiten.
14:13Mein Mann ist auch nicht gerade der überzeugende Liebhaber, der mich allmählich dahin führt.
14:18Entweder brutal oder, naja, lassen wir es.
14:21Einmal ist er tief beleidigt gewesen, weil ich das Licht angemacht habe und geguckt habe, wie spät es ist.
14:26Bist du denn noch nicht fertig?
14:28Da war es aus.
14:30Ich habe gedacht, der braucht mal so einen Schock.
14:33Anders kriege ich den nicht nüchtern.
14:36Aber, dass die Ehe darunter leidet, kann ich nicht sagen.
14:43Ich meine, wo Liebe ist, da ist doch Eifersucht.
14:46Und die muss man lernen, in Maßen.
14:49Wobei ich wahrscheinlich zu eifersüchtig bin.
14:52Mein Mann arbeitet oft länger, um Geld fürs Auto reinzukriegen.
14:55Heute kommt er auch um sieben und so geht das schon einige Zeit.
14:58Und das ist manchmal so, dass ich direkt was heraufbeschwöre.
15:03Wo kommst du denn her?
15:06Wie riechst du denn wieder?
15:08Ich bin sehr kontaktfreudig.
15:12Ich könnte jeden Tag viele Leute um mich haben.
15:14Werner behagt das nicht so sehr.
15:15Der ist mehr für das behaglich Häusliche.
15:18Manchmal kommt er in den Club mit, aber da muss er sich schon sehr überwinden.
15:21Der hat nicht den Unternehmungsgeist wie ich.
15:22Freunde haben wir eigentlich auch nur von meiner Seite.
15:28Aber das hört man ja oft, dass Frauen die Aktiveren sind.
15:31Wenn ich mal hochsprechen darf.
15:34Meine Freundschaften reichen von Direktoren bis zu unserem Schulwart.
15:38Aber das artet nicht aus.
15:41Konservativ sind wir vielleicht.
15:43Wir besuchen unsere Freunde nur, wenn wir eine direkte Einladung haben.
15:46Das ist in Neustädten so.
15:48Da ist man nicht einfach so von Tür zu Tür, einfach aus dem Gefühl heraus,
15:51und am Abend könntest du meinen Affen loslassen.
15:53Das passiert nicht.
15:55Den Affen muss man zu Hause loslassen.
16:00Wenn es mir richtig schlecht geht, ob ich da eine wirkliche Freundin habe?
16:07Aber mir geht es ja nicht schlecht.
16:11Es gab mal eine Freundin, das war, vielleicht ist das anrühchig,
16:15Liebe auf den ersten Blick.
16:17Aber wir haben uns so selten sehen können.
16:18Mit der Freundin bin ich oft ausgegangen.
16:22Männer fangen, tanzen, trinken.
16:26Vielleicht ist es so, dass ich mich im Geben und Nehmen noch zu ungeschickt anstelle.
16:35Freundschaft will eben auch gelernt sein.
16:38In Schwedt jedenfalls habe ich noch keinen Ersatz gefunden,
16:40seit diese Freundin weggezogen ist.
16:43Schwedt hat mir in erster Linie eine Qualifizierung geboten.
16:45Eine schöne Wohnung und einen bequemen Arbeitsweg.
16:50Auch ein bisschen ist mir diese Stadt schon zur Heimat geworden.
16:54Es ist eine junge Stadt und die Leute, die darin wohnen, sind auch jung.
16:58Letztendlich ist das eine Chance für uns alle.
17:02Mit dem Herziehen begann eigentlich mein Erwachsensein.
17:06Ich ließ alle Verwandten und Freunde zu Hause zurück.
17:08Meine Schwester, die viel für mich getan hat, bin ich jetzt über den Kopf gewachsen.
17:16Sehr vermisse ich auch unser Theater.
17:19Weil ich ein freundlicher Mensch bin, da zieht mich die Oper besonders an,
17:24weil sie oft traurig und sentimental ist.
17:27Das ist dann mein Ausgleich.
17:31Jetzt mag ich, aber ich tanze nicht gern.
17:33Ich sammle Märchenbücher, weil ich der Meinung bin,
17:37dass ich über Märchen die Völker und ihre Eigenarten kennenlerne
17:40und dass ich dann auch die Kinder besser verstehe.
17:43Vielleicht ist es komisch, aber ich liebe unheimlich Turgenev.
17:49Der hat so eine Sprache, so romantisch und lyrisch,
17:55dass ich mir wünschte, so sprechen zu können im Unterricht,
18:00um die Fantasie der Kinder anzuregen,
18:02damit sie ihr Innerstes aufs Blatt bringen.
18:05Ich lese auch gern Gedichte.
18:08Die neue Art zu schreiben liebe ich nicht.
18:10Ich habe nicht die Einstellung dazu.
18:14Vielleicht hat sich die Welt so verändert,
18:16dass die Schriftsteller anders schreiben müssen.
18:19Dann bin ich eben von gestern.
18:20In unserem Leben fehlt Poesie.
18:25Die vermisse ich am meisten.
18:27Dann nehme ich ihm Zuflucht zu den alten Russen.
18:28Die hatten noch Gefühl.
18:30Vielleicht ist das eine sehr einseitige Liebe,
18:32aber die Menschen brauchen nicht viele Bücher.
18:38Der Wundertäter Teil 1, den liebe ich auch.
18:41Den habe ich schon mehrmals gelesen.
18:43Da ist so unheimlich viel Eigenes drin.
18:45Der hat mich zurückversetzt in eine schöne Zeit meiner Kindheit.
18:48Ich hatte einen alten Freund.
18:52Einen Schäfer.
18:54Mit dem bin ich überall hin mitgezogen.
18:57Dem war der Sohn im Krieg gefallen und der wollte mich adoptieren.
19:00In den Stall und habe zugesehen, wie Lämmer geboren wurden.
19:04Lämmer streicheln.
19:05Das ist ein wunderbares Gefühl.
19:08Seine Frau hat geweint, wenn ich zu Besuch war.
19:11Vor Freude.
19:13Jetzt sind sie Rentner.
19:14Und als ich letztens da war,
19:17da war ich wieder das kleine Mädchen.
19:20Siehst du dich auch warm an, Dorle?
19:23Bist du immer noch so wild?
19:28Mir hat ja einmal der Vater gefehlt.
19:32Ich leide darunter, nie einen besessen zu haben.
19:35Ich habe mich manchmal danach gesehen,
19:37dass mir auch mein Mann ein Vater wird,
19:39aber dafür ist Werner zu jung.
19:41Mein Vater war Fremdarbeiter bei Hitler.
19:48Ich habe nach dem Kriege Fresspakete bekommen,
19:50übers Rote Kreuz.
19:51Von meinem Vater.
19:54Aber ich habe ihn nie gesehen.
20:00Meine Mutti wurde dann bald auf Rente gesetzt,
20:01weil sie immer krank war.
20:02Wobei sie es so arg trieb,
20:04dass wir meinten,
20:04die hat einfach Angst vor den Menschen
20:05und verkriecht sich in ihr Schneckenhaus.
20:08Das war immer schrecklich für mich.
20:10Ich hatte eine sehr ernste und sehr leidende Mutter.
20:14Später habe ich da einen Ersatz gefunden
20:16meiner Schwester, die zwölf Jahre älter war.
20:18Unter meinem Bruder aber,
20:19der ist bald seiner Wege gegangen.
20:21Manchmal holte mich ein Cousin meiner Mutter.
20:24Der war sehr lustig und der hatte vier Mädchen.
20:26Und ich war furchtbar eifersüchtig,
20:28dass die einen Vater hatten.
20:29Ich war ganz selig,
20:30wenn er mich in die Luft warf
20:31oder mich zum Abschied küsste.
20:35Aber es ist dann auch bald in die Brüche gegangen,
20:38weil man sich einiges vorzuwerfen hatte in der Familie.
20:42Seine Frau warf meiner Mutti vor,
20:45wer weiß, woher die kleine stammte,
20:47weil meine Mutti das zuerst für sich behalten wollte.
20:51Das war doch ihre große Liebe.
20:54Mich hat das verrückt gemacht,
20:55dass ich nicht wusste, woher ich stamme.
20:58Ich verstehe nicht,
20:58warum sie sich so hineingesteigert hat in diesen Verlust.
21:03Mein Vater hat nach dem Krieg in Frankreich wieder geheiratet.
21:06Ich meine,
21:07man kann doch in eine Sache nicht mehr hineinlegen,
21:10als es rauszuholen ist.
21:12Wenn ich mich im Krieg mit einem Ausländer einlasse
21:14und damit rechnen muss,
21:17von der Gestapo geschnappt zu werden,
21:18dann muss ich letztendlich auch so weit denken
21:20und meine Mutti ist doch keine Dumme,
21:22dass mal Schluss sein wird.
21:24Ich meine,
21:25wenn das mit dem Tschechen was geworden wäre,
21:27das hätte ich doch auch ausgestanden,
21:28ohne meine Umwelt zu belästigen.
21:29Das gibt es doch gar nicht.
21:32Meine Mutti kann ihr ein letztes hergeben,
21:34aber
21:34Wärme
21:36strahlt sich nicht aus.
21:40Als ich schwanger war,
21:41wurde ich direkt hinausgeekelt.
21:44Der hatte ich sowieso nicht.
21:45Muss dankbar sein,
21:46wenn dich überhaupt jemand nimmt.
21:47Das habe ich mir angehören müssen,
21:48immer so herabsetzend.
21:49Ich meine,
21:51meine Mutti war schon nett zu mir.
21:55Er hat mir Haferflockensuppe gekocht,
21:57bevor ich in die Schule ging
21:58und mit Kuss entlassen.
22:01Die Klassiker,
22:02meine Traumbücher in der Neunten,
22:03die habe ich von meiner Mutti bekommen.
22:05Die hat sie sich vom Munde abgespart.
22:07Aber sie konnte dann nicht alles
22:09gemeinsam mit mir verarbeiten.
22:10Und je mehr ich mündig wurde,
22:13desto mehr Gnatz gab es.
22:17Vielleicht aus Angst,
22:19mich auch noch zu verlieren?
22:22Am liebsten war ihr es,
22:23wenn ich in der Wohnung blieb
22:24und ich wegging.
22:26Sie musste belogen werden,
22:27damit ich überhaupt weg konnte.
22:29Sie blieb immer draußen
22:30und ich wollte weiter.
22:33Jetzt hat sie geheiratet.
22:36Und der Mann hätte mir
22:38ein Vater sein können.
22:39Sie hat uns geschrieben.
22:42Ich heirate,
22:43denke nicht schlecht von mir.
22:45Ich habe gewartet,
22:45bis ihr alle aus dem Haus wart.
22:49Plus,
22:50sie wusste doch,
22:51wie sehr ich auf einen Vater gewartet habe.
22:55Warum hat sie nicht von mir geheiratet?
23:00Letztens hat sie mir
23:01eine Eifersuchszene vorgespielt,
23:03weil ich ihm einen Kuss geben wollte
23:04aus Freude darüber,
23:05dass er mir was geschenkt hat.
23:07Warum soll ich was
23:08mit dem alten Mann anfangen,
23:09wo mich schon Junger
23:10nicht befriedigen kann?
23:12Der Mann ist auch gar nicht
23:13der Typ,
23:13der sich lächerlich macht.
23:20Den Mann möchte ich aber nicht sein.
23:23Jede Frau kann heute
23:24ihren Mann stehen.
23:25Trotzdem bleibt sie umschwärmt
23:26und im Mittelpunkt.
23:27Manchmal könnte ich verrückt werden,
23:30wenn ich meine Regel habe.
23:31Warum kriegt der die denn nicht?
23:34Ich glaube,
23:35dass jede Frau,
23:36die sich eine Position erkämpft hat,
23:39mithilft,
23:39dass der Mann ein bisschen gedrückt wird
23:41und seine Rolle nicht mehr ausüben kann,
23:42wie mal im Bürgertum.
23:44Das bringt die Männer in Konflikte,
23:46klar.
23:48Neu ist die Situation auch für uns Frauen,
23:50aber wir sind stärker und ehrgeiziger.
23:52Wir haben nachzuholen,
23:53da kann man nicht
23:54so viel Rücksichten nehmen.
23:56Wenn Frauen im Beruf
23:57was darstellen wollen,
23:58dann fängt das mit
23:59ganz primitiven Mitteln an,
24:01die beim Mann
24:02überhaupt keine Rolle spielen.
24:04Aufträgen,
24:05Kleidung, Kosmetik.
24:07Wir brauchen diese Mittel,
24:08um anerkannt zu werden.
24:11Wenn man einen Menschen
24:12nach seinem Innersten beurteilen will,
24:15da braucht man viel mehr Zeit.
24:19Manchmal hat man die Ruhe
24:21nicht so lange vor dem Spiegel zu stehen
24:23oder so zum Friseur zu gehen.
24:26Manchmal hat man auch nicht
24:27das Verlangen danach.
24:30Ich weiß,
24:30was von mir erwartet wird.
24:32Das ist oft wie ein Wettrennen.
24:33Ich meine,
24:34wenn ich jetzt zum Kreisschulrat muss,
24:35da verwende ich viel mehr Zeit
24:36vor dem Spiegel,
24:37um inneren Halt zu bekommen
24:39und sicheres Auftreten.
24:41Ich weiß,
24:43vom Äußeren her
24:44kann mir niemand was.
24:47Ich glaube,
24:48dass ich mein Leben
24:49selbst gestalten kann.
24:51Man muss auch mal
24:53an den Tod denken.
24:54Ich denke manchmal daran,
24:56weil ich wissen möchte,
24:57wie mein Mann reagiert,
24:59wie Stefan reagiert,
25:00wie andere Menschen reagieren
25:02aus dem Motiv heraus.
25:05Was würde der Welt fehlen?
25:08Was bist du ihnen wert?
25:09Wenn ich Entscheidungen treffe
25:19oder Gnatz zu Hause habe,
25:21das ist eine merkwürdige Angewohnheit.
25:22Da kann ich mittendrin
25:23anfangen zu lachen,
25:24weil ich mir einbilde,
25:25das Ganze wird gefilmt.
25:27Und wenn ich in so einem
25:27komischen Film
25:28die Hauptrolle spiele,
25:29da kann ich nicht mehr böse sein.
25:30Da denke ich mir,
25:32Mensch, Doris,
25:33wie kommst du bei den Zuschauern an,
25:34wenn du dich so hysterisch aufführst
25:36und so auch dein Recht brauchst?
25:40Angst vorm Altwerden habe ich nicht.
25:43Die Frauen haben heute
25:43alle Mittel in der Hand,
25:44um jung zu bleiben.
25:46Wenn man in der Sibylle sieht,
25:47wie Frauen um die 50 wirken können,
25:49dann weiß ich heute schon,
25:50dass ich immer mit der Mode gehen werde.
25:52Die größte Rolle
25:56spielt letztendlich
25:59die Arbeit in meinem Leben
26:01und meine Rolle als Mutter.
26:04Ich habe ein sehr enges Verhältnis
26:06zu meinem Sohn.
26:07Er weiß vieles von mir,
26:09was er meinem Mann
26:09nicht erzählen würde.
26:11Das ist vielleicht nicht richtig,
26:12aber ich möchte das so haben,
26:15weil mir in meiner eigenen Erziehung
26:17dieses Vertrauensverhältnis
26:20sehr gefehlt hat.
26:20Die Rolle als Hausfrau liebe ich nicht.
26:26Abwaschen und Staubsaugen,
26:27das können Werner und Stefan
26:28viel besser als ich.
26:32In der Rolle als Ehefrau
26:34und Geliebte
26:36bin ich auch nicht glücklich,
26:38weil ich weiß,
26:38dass ich noch große Schwächen habe
26:40und noch vieles verbessern könnte.
26:44Damit ist eine Seite
26:45des Glücks zu kurz gekommen.
26:47Vielleicht stürzt man sich deshalb
26:50so in ein anderes Glück,
26:51das man besser bewältigt?
26:55Welchen Wunsch offen hätte.
26:58Ich meine,
26:58man wünscht sich doch immer Geld.
27:00Man denkt sich,
27:00wenn man viel Geld hat,
27:01dann kann man viel kaufen.
27:03Man will doch in erster Linie
27:04glücklich sein, nicht?
27:05Ich würde mir auch sehr wünschen,
27:08dass ich einen Studienplatz kriege
27:10als Diplom-Pädagoge,
27:11um später Direktor zu werden.
27:13Ich will nicht mein Leben lang
27:14Unterstufenlehrerin bleiben.
27:15Ich will testen,
27:16wo meine Grenzen sind.
27:18Manche Bekannte sagen ja,
27:19wo die Grenzen sind,
27:20das weißt du nie.
27:22Warum nicht?
27:23Man muss doch mal an eine Grenze kommen,
27:25wo man sich sagt,
27:27jetzt passe ich.
27:28Letztendlich,
27:31wenn ich mal 80 bin,
27:33dann hat sich alles so reduziert,
27:35stelle ich mir vor,
27:37dass man sich nur mehr
27:38an Momente erinnern kann,
27:39wo man glücklich war.
27:41Bei der Arbeit
27:41oder mit Stefan.
27:44Das Gute behält der Mensch ja
27:45besser im Gedächtnis
27:47als das Schlechte.
27:48Das nennt man
27:48retrospektive Verfälschung.
27:50Glücklich war ich auch,
27:51als ich ein paar Stiefel
27:52im Exquisit bekommen habe.
27:54Das sind Momente,
27:55die für eine Frau wichtig sind.
27:58Vielleicht lässt sich Glück
28:00besser definieren,
28:01wenn man älter und erfahrener ist.
28:06Was Glück für mich bedeutet,
28:09kann ich nicht sagen.
28:13Ich weiß nur,
28:14dass ich nicht unglücklich bin.
28:28Regen kommt auf und fällt,
28:37ein Mann sitzt am Boden und weint,
28:42sitzt, weint und betet zu Gott,
28:46sitzt, weint und betet zu Gott.
28:50Die Frau ging fort,
28:56es geht ihr gut,
28:59sie zieht irgendwo hin.
29:02Mit einem Kerl,
29:05mit großem Schnurrbart,
29:07zieht sie irgendwo hin.
29:12Unterwegs machen sie
29:13auf einer Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:19Ihrem Mann hat sie keine gebraten,
29:24niemals, niemals gebraten.
29:30Deswegen weint er.
29:32Deswegen weint er.
29:36Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:38Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:39Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:40Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:41Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:42Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:43Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:44Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:45Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.
29:46Das ist eine Wiese Hand und sie brät im Hühner.

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