- 8.7.2025
Sexueller Missbrauch wirkt oftmals noch sehr lange nach. Die
Opfer leiden vielfach noch Jahrezehnte später unter dem
Geschehenen. Zwei Fälle aus Magdeburg zeigen das auf
eindrückliche Weise.
Opfer leiden vielfach noch Jahrezehnte später unter dem
Geschehenen. Zwei Fälle aus Magdeburg zeigen das auf
eindrückliche Weise.
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00:00Das, was da mit mir gemacht wurde, das war würdelos. Das war eine Vergewaltigung.
00:14Hier lag ich. Das ist halt das Schlimmste für ein Opfer, dass der Täter nicht zur
00:18Rechenschaft gezwungen wurde. Das ist das Schlimmste für ein Opfer.
00:30Magdeburg am 1. Oktober 2016. Es ist Samstagabend. Ein langes Wochenende steht an. Am Montag
00:40ist Feiertag. Auf den Straßen ist einiges los. Die Menschen sind in Ausgelaune. Für Katrin S. wird
00:49nach dieser Nacht nichts mehr so sein wie zuvor. Was ihr damals passierte, möchte sie nur verdeckt
00:55erzählen. Ich war damals noch alleinerziehend mit meinem Sohn zusammen, der damals 15 Jahre
01:04alt war. Ich wollte eigentlich an dem Abend gar nicht so richtig weggehen. Ich hatte nicht
01:10so richtig die Muße dazu. Aber meine Freundinnen meinten auch, Mensch, komm doch mit und das
01:16ist immer so lustig und du weißt doch und so. Und dann habe ich mich sozusagen breitschlagen
01:22lassen. Die Frauen wollen ins Maritimhotel. Dort findet eine große Ü-30-Party statt. In Magdeburg
01:30ein Highlight für nicht mehr ganz so junge Partygänger.
01:33Wir hatten einen Mädelsabend geplant und wollten uns einen schönen gemeinsamen Abend zaubern.
01:44So. Gegen 20 Uhr stürzen sich die vier Freundinnen ins Partygetümmel. Sie treffen alte Bekannte, trinken
01:51und tanzen. Die Stimmung ist gut. Im Laufe des Abends kommen die Frauen mit fünf Männern ins
01:58Gespräch, die extra aus Niedersachsen angereist sind. Mit einem von ihnen war Katrin S. lose über
02:05Facebook in Kontakt. Und man kam dann eben gleich ins Gespräch. So, ja, es war jetzt
02:11auch nichts Negatives dabei, das muss ich ganz ehrlich sagen. Also so, wie man eben auch
02:16andere Leute vielleicht dann kennenlernt, die man jetzt eben noch nicht kennenlernt.
02:21Doch der Abend sollte für Katrin S. eine dramatische Wendung nehmen.
02:29Manuela hat dann einen Bekannten getroffen, hat sich dann so vom Tisch abgewandt und auf einmal
02:34kippte dann die Stimmung. Und dann sprach mich der eine dieser Herren dann auch frontal
02:41an, auch mit komplett veränderter Mimik und Gestik und Stimme. Und das war der Moment,
02:48ja, wo ich denke, dass ich so abgelenkt war, dass man mir da eben wirklich irgendwas in
02:56mein Wasser gemacht hat.
02:58Katrin S. ist davon überzeugt, dass die Männer ihr K.O.-Tropfen ins Glas gemischt haben.
03:03Auch bekannt als Liquid Ecstasy. In höherer Dosierung macht die Droge willenlos und kann
03:10bis zur Bewusstlosigkeit führen. Katrin S. erinnert sich, dass sie irgendwann mit einem
03:15der Männer zum Fahrstuhl des Hotels gegangen ist.
03:19Ich habe auch immer wieder rekapituliert für mich, warum bist du da eigentlich mitgegangen?
03:24Das hättest du doch niemals gemacht. Ja, aber es muss dann schon so gewesen sein, dass ich eben
03:33wahrscheinlich schon irgendwo in einem anderen Zustand war.
03:37Und dann sind wir in den zweiten Stock hoch, bin ich auch noch den Gang mit ihm runtergegangen.
03:50Und ich weiß nicht, ich weiß nicht warum, aber ich sehe, das Letzte, was ich sehe, war dann
03:59wirklich die Hotelzimmertür. Ich sehe zwar noch, wie die Tür dann aufgeht, dass auch
04:04Licht im Zimmer ist und dann ist bei mir das schwarze Loch.
04:10Unten im Hotel läuft die Party weiter. Gegen 1.30 Uhr wollen sich Katrins Freundinnen auf
04:22den Heimweg machen.
04:23Wir haben dann zusammen Ausschau nach Katrin gehalten. Einmal links, einmal rechts, waren
04:31noch in einem anderen Tanzsaal und haben sie aber nicht gefunden. Und haben dann beschlossen,
04:37da wir ja mitbekommen haben, dass sie dort jemanden getroffen hatte, dass wir dann alleine
04:45fahren und sie hoffentlich gut nach Hause kommt.
04:50Wie lange Katrin S. zu diesem Zeitpunkt schon bewusstlos ist, weiß sie nicht.
04:57Die nächste Sequenz, an die ich mich wieder erinnere, war dann schon, ich praktisch unbekleidet,
05:09schräg auf dem Bett liegend. Meine Arme waren fixiert jeweils von beiden Seiten.
05:16Einer der Herren befand sich vor mir. Gut, was der machen wollte, das kann man sich jetzt
05:24ausdenken. Und ich merkte dann aber irgendwie, dass über mir so ein Lichtschein war, so von
05:30links oben, wo ich dann eben gemerkt habe, da ist ein Handy mit im Spiel, da wird irgendwas
05:37gefilmt. Und ich konnte meinen Arm dann wegreißen und konnte dann mit meinem linken Arm dann das
05:43Handy wegschlagen. Und das flog auch wirklich durch den ganzen Raum. Und in dem Moment habe
05:50ich dann meinen Kopf wieder mittig gedreht und habe dann auch wirklich erst so mehr oder
05:55weniger erfasst schon irgendwo, dass das irgendwie ist das jetzt komisch hier. Und in dem Moment
06:02bekam ich dann einen Schlag von der rechten Seite und war wieder komplett ausgenockt eigentlich,
06:07muss man sagen.
06:14Wieder vergehen Minuten oder Stunden, zu denen Kathrin S. jede Erinnerung fehlt.
06:20Dann kam der Moment, wo ich wirklich von einer Sekunde auf die nächste knallwach war. Aber
06:31wirklich mit allen Sinnen. Ich habe eben realisiert, dass ich mit mehreren unbekleideten Männern
06:38im Zimmer war. Dann, naja, hat einer davon mich halt wieder mit meinem Kopf dann so zu sich
06:46herangezogen. Und dann hat sich mein ganzer, ja, so mein, ich will jetzt mal sagen, Überlebenswillen,
06:55ja, so mein Fluchtinstinkt sofort. Und ich habe dem so einen Tritt in den Brustkorb gegeben, dass er wirklich
07:03dann in diesen einen Lehnstuhl da gefallen ist. Und dann wussten die sofort, jetzt ist es hier
07:10vorbei. Und man hat mir dann auch noch irgendwie zehn Euro fürs Taxi. Hier kannst du jetzt mit dem Taxi
07:15nach Hause fahren. Und dann hat der Motto, so wie du jetzt aussiehst, ja, da kannst du dich ja nicht mehr
07:20unter Leute trauen.
07:25Fluchtartig verlässt Kathrin S. das Hotel. Draußen dämmert es schon. Dass sie mehr als vier Stunden in diesem
07:31Hotelzimmer verbracht hat, ist ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Genauso wenig wie das, was dort mit ihr
07:39passiert ist. Sie steht unter Schock, realisiert nicht, was geschehen ist. Erst im Laufe des Tages bemerkt sie die
07:51Verletzungen an ihrem Körper. Da habe ich dann angefangen, so jetzt rekapituliere mal. Was ist da passiert?
07:59Was war gewesen? Und dann bin ich ins Bad gegangen und habe dann halt an mir runtergeschaut und habe dann eben diese ganzen
08:08Bisswunden gesehen, die ich hatte. Und die Innenschenkel waren blau. Und in dem Moment, ja, habe ich dann auch wirklich die Schmerzen
08:17realisiert. Im gesamten Unterleib. Und ja, dann eben auch die Blutungen gesehen. Und dann war es für mich
08:29glasklar. Dann kam eben der Moment, wo ich es dann eben wirklich auch für mich realisiert habe und wo ich dann auch
08:38gedacht habe, habe okay. Das ist ja jetzt halt passiert. Und ja, das ist halt keine Frage des Alters. Ich war kurz vor meinem 41.
08:52Am nächsten Tag trifft Katrin S. ihre Freundin Manuela M. Ihr vertraut sie sich schließlich an.
09:07Und dann hat sie mir praktisch ihre Arme und ihre Oberschenkel gezeigt. Ich war so entsetzt und habe gesagt, Katrin, wir müssen jetzt zur Polizei.
09:25Es ist Montag, der 3. Oktober 2016. Zwei Tage nach der Party. Gemeinsam fahren die beiden Frauen zur Wache.
09:33Katrin S. erstattet Strafanzeige wegen Vergewaltigung. Sie wird sofort ins Klinikum Magdeburg gebracht und von einer
09:41Gynäkologin untersucht. Manuela M. ist die ganze Zeit an ihrer Seite. Es wurden Fotos gemacht, sie wurde vermessen und Katrin hat
09:56immer noch mal gerufen. Aua, Aua, Aua, Aua.
10:01Dr. Norbert Beck ist damals der zuständige Rechtsmediziner. Er stellt Katrin S. auch Fragen zum Tathergang.
10:08Doch daran hat sie kaum Erinnerungen. Zu beweisen, dass sie mit K.O.-Tropfen betäubt wurde, ist jetzt, zwei Tage nach der Tat, nicht mehr möglich.
10:17Die Substanz wird vom Körper innerhalb von sechs bis zehn Stunden vollständig abgebaut.
10:24Ich habe in verschiedenen Bereichen, vor allen Dingen im Bereich der Gliedmaßen und auch im Genitalbereich, Blutergüsse feststellen können.
10:31Und auch so einer halbkreisförmig geformten Blutergüsse, wie sie typischerweise bei Bissspuren entstehen können.
10:43Um so einen Bluterguss zu erreichen, muss schon richtig kräftig zugewissen worden sein.
10:51Die Frage ist natürlich auch immer, wie viel Kontrolle ist aufrechterhalten worden durch körperliche Gewalt.
10:58Beispielsweise durch Schläge, vielleicht auch Schläge mit der flachen Hand, am ehesten eben ins Gesicht.
11:04Oder durch Würgen oder durch Festhalten oder durch Fesseln würde ich dann nicht bloß die Kontrolle aufnehmen, sondern aufrechterhalten.
11:12Um, wenn ich ein Vergewaltiger wäre, sozusagen zum Zuge zu kommen, um meine Tat dann letztendlich durchführen zu können.
11:20Und da hatten wir eben nichts, was ja möglicherweise die Story mit dem K.O.-Tropfen untermauert.
11:26Ja, weil eben eine Gegenwehr nicht stattgefunden hat.
11:30Direkt nach der Untersuchung wird Kathrin S. von Beamten des Zentralen Kriminaldienstes auf dem Polizeirevier Nachtweide vernommen.
11:38Dort sitzt das Fachkommissariat 2, zuständig für Straftaten gegen das Leben und die Gesundheit.
11:46Ich fand die Fragen halt schon manchmal sehr komisch, muss ich sagen.
11:50Also, wie sahst du aus an dem Abend? Welche Klamotten hattest du an und sowas alles?
11:56Hast du da irgendwas provoziert? Ja, wo man eben die Männer dazu irgendwie animiert hat, da was mit dir in dieser Form zu machen?
12:08Und da habe ich dann gedacht, das gibt's doch jetzt nicht. Und ich war dann immer in so einem Selbstzweifel, dass ich dann selber mich immer wieder hinterfragt habe,
12:20Ja, aber ist das denn jetzt eigentlich richtig, dass du die Anzeige machst? Und dann habe ich immer gesagt, ja, Kathrin, das ist richtig. Guck dich an!
12:29Das Gefühl, dass man ihr nicht glaubt, verunsichert Kathrin S. Ihr wird eine Pflichtverteidigerin zugeteilt.
12:36Mit ihr berät sie sich, doch die Anwältin macht ihr wenig Hoffnung auf Erfolg in einem möglichen Prozess.
12:43Sie müssen halt immer bedenken, dass sie eben fünf Gegenparteien haben.
12:48Und ja, da steht Aussage gegen Aussage. Das eine sind fünf Aussagen, das andere ist nur eine Aussage.
12:55Und ihre Aussage hat da eben leider wenig Gewicht.
13:01Wir haben versucht, den damaligen Ermittler zum Fall Kathrin S. zu befragen.
13:05Ein Interview wurde von der Polizeiinspektion Magdeburg abgelehnt.
13:09Es hätte damals zu unterschiedliche Auffassungen zum Tatgeschehen gegeben.
13:14Und man wolle vermeiden, dass die Geschädigte in der Öffentlichkeit mindestens ambivalent wahrgenommen werden könnte.
13:20Nur zwei Monate nach der Tat fasst Kathrin S. den Entschluss, sich aus der juristischen Klärung des Falles zurückzuziehen.
13:29Aufgrund der Schwere der Tat ermittelt die Polizei jedoch weiter.
13:34Für mich war eigentlich mein Leben in dem Moment vorbei.
13:39Mein Leben, was ich bisher geführt habe, war ausgelöscht.
13:44Ich sag mal so, es gibt eben die Kathrin davor, es gibt die Kathrin danach.
13:47Die beiden sehen gleich aus, aber sie sind eigentlich fast komplett verschiedene Personen.
13:53Ein Riss im Leben. Ein traumatisches Erlebnis. Das alles verändert.
14:01Diese Erfahrung hat auch Annika T. gemacht. Sie ist heute 38 und wohnt ebenfalls in Magdeburg.
14:08Viele Jahre schien ihr Leben in Ordnung zu sein. Bis zu einem Tag vor 20 Jahren.
14:13Da brach eine Geschichte wieder auf, die komplett aus ihrer Erinnerung gelöscht war.
14:19In einem Bus stand sie plötzlich dem Mann gegenüber, der sie als Kind zwei Jahre lang missbraucht hatte.
14:25Ja, hier, das ist so ein Bus. Hier war nur ein Vierersitz.
14:30Ein Vierersitz und ich saß quasi da vorne bei den Kinderwagen.
14:35Er saß hier mit dem Rücken zu mir und hat er sich so zweimal umgedreht.
14:39Hat gesehen, dass ich da sitze und er hätte ja locker hier aussteigen können.
14:43Er hätte mir aus dem Weg gehen können, er hat es aber nicht gemacht.
14:46Er hat mir hier die Tür geöffnet und hat mich dann rausgelassen quasi.
14:51Hat noch so gemacht.
14:52Ja, das, und das war, das war zu viel.
14:56Und dann kam alles wieder hoch und dann konnte ich es auch nicht mehr verdrängen.
15:01Und dann kam alles auf einmal.
15:05Ich konnte nicht mehr alleine zu Hause bleiben.
15:10Es musste 24-7 jemand bei mir sein.
15:13Ich konnte nicht einkaufen gehen.
15:16Ich hatte richtig krasse Depressionen.
15:22Ja, ich habe meinen Haushalt nicht mehr führen können.
15:27Ich habe, in kein Restaurant konnte ich gehen oder so, irgendwie mal was essen oder sowas.
15:34Das habe ich alles, habe ich alles hier minen.
15:44Alles begann 1990.
15:46Annika T. ist sechs Jahre alt.
15:48Sie lebt.
15:49Sie lebt mit ihrer Familie in Magdeburg-Olvenstedt.
15:52Für sie und ihre drei Geschwister ist das Plattenbaugebiet ein riesiger Spielplatz.
15:57Das war wirklich ein schönes Leben da.
16:00Jeder kannte jeden so.
16:02Egal wann, du bist raus und da war jemand zum Spielen halt.
16:04Also das waren, wir waren allein in dem Hauseingang, waren wir glaube ich acht Kinder insgesamt.
16:18Also aus den verschiedenen Familien halt so. Acht, neun Kinder waren wir.
16:21Ja, schön.
16:23Auch Stefan H. gehört zur Hausgemeinschaft.
16:27Annika T. erinnert sich, dass er immer mit dem Fahrrad unterwegs war.
16:34Stefan H. ist schon 19 Jahre alt.
16:38Für Annika T. und die anderen Kinder ist er der nette jugendliche Nachbar.
16:42Auch Annikas Mutter schickt die Tochter häufig zum Spielen, zu dem jungen Mann.
16:48Also unser Block steht leider nicht mehr, aber so in etwa war das damals.
16:55Wir haben Etage drei gewohnt und Stefan versetzt in einer Parterre quasi.
17:02Der war eigentlich immer mit dabei, ja.
17:07Immer präsent gewesen.
17:10Ja, er war schon anders. Als 19-Jähriger damals war er schon kindlich.
17:18Sehr kindlich, ja.
17:22Haben auch Fußball gespielt, Verstecken haben wir gespielt.
17:26War halt ne vertraute Person halt.
17:29Was keiner in der Nachbarschaft ahnt, der junge, geistig etwas eingeschränkte Mann vergeht sich an den Kindern.
17:36Annika T. erzählt, wie er sie mit Spielzeug und Geschenken lockte.
17:42Taxi spielen nannte er es, wenn er die Kinder auf seinem Fahrrad mitnahm.
17:46Dann fuhr er mit ihnen zu abgelegenen Orten, um sie dort zu missbrauchen.
17:52Die Frage, warum sie sich damals niemandem anvertraute, treibt Annika T. bis heute um.
18:05Auch die Erinnerungen an bestimmte Orte und Situationen verfolgen sie.
18:11Dann musste ich mich hinlegen und er hat mir dann meine Hose runtergezogen und hat sich dann halt an mir vergangen halt.
18:20Ja, naja, wie habe ich das empfunden? Irgendwann schon als normal.
18:39Und irgendwann, umso älter ich wurde, umso unnormaler habe ich das ja dann auch empfunden.
18:49Er kam dann zu uns und bei einem bestimmten Alter hat er dann gesagt, ihr sagt nichts.
18:55Es darf keiner wissen, was wir im Keller machen.
18:58Psychologin Claudia Wirth arbeitet mit Missbrauchsopfern. Sie kennt die Mechanismen, die Kinder oft so lange schweigen lassen.
19:11Ja, das Vertrauen in die erwachsene Person, das ist ja durch das Vertrauen zu den Eltern, durch das Urvertrauen oft gegeben.
19:19Dass die Erwachsenen schon wissen, was richtig ist und fürsorglich und zugewandt meistens sind.
19:25Und deswegen kann der Missbrauch schon eine ganze Weile passieren, ehe das Kind realisiert, der hat vielleicht gar keine guten Absichten mit mir.
19:36Auch im Keller des Nachbarhauses wird Annika T. von Stefan H. missbraucht.
19:42Eine Situation hat sie nie vergessen. Während des Missbrauchs wird der Täter gestört.
19:49In dem Moment hat es oben an der Scheibe geklopft, also noch nicht mal an die Kellertür an sich,
19:53sondern eine Treppe höher im Hintereingang quasi. Da war eine Glastür.
19:59Ich möchte meinen, es war eine Frau und hat nur gesagt, ich komme gerade aus dem Keller nebenan, ich habe alles mitgehört.
20:06Machst du das noch einmal, dann rufe ich die Polizei.
20:12Doch die Frau verschwindet wieder. Hilfe holt sie nicht.
20:17Ja, das ist natürlich eine desaströse Erfahrung für ein Kind, eine ganz, ganz große Enttäuschung, dass die einzige Gelegenheit, Hilfe zu bekommen, dann wegfällt.
20:29Die Angst, dass dem Kind nicht geglaubt wird, die hat das sowieso schon.
20:32Und wenn dann also eine zweite erwachsene Person auch nicht reagiert, muss das Kind vielleicht sogar zu der Überzeugung gelangen, das hat hier schon alles seine Richtigkeit, der darf das offenbar.
20:44Erst ein Streit mit ihrer damals besten Freundin, bringt die Verbrechen ans Licht.
20:50Auch die Freundin wird von Stefan H. missbraucht und erzählt schließlich alles Annikas Eltern.
20:56Die Polizei ermittelt. Erst Jahre später kommt es im Amtsgericht Magdeburg zum Prozess. Annika T. ist inzwischen zwölf Jahre alt und soll als Zeugin aussagen.
21:09Ganz vorne saß ich ziemlich weit am Gang und dann ging die Tür auf, die hat so geknarkst, das war so total gruselig so.
21:20Und dann kam der halt in seinem schwarzen Pullover so den Gang lang runter.
21:25Und dann war bei mir vorbei, also ich habe gemerkt, dass ich umkippe.
21:29Meine Mutter hat gleich reagiert, hat mich gleich festgehalten, weil ich vom Stuhl kippen wollte.
21:33Und dann hat meine Mutter gesagt, wir gehen jetzt hier weg.
21:38Danach wird in Annikates Familie nie wieder über den Missbrauch gesprochen.
21:44Sie selbst verdrängt das Erlebte.
21:47Diese Verdrängung, das ist ein ganz wichtiger Überlebensmechanismus.
21:54Der hilft erstmal der Seele weiterzumachen, weiterleben zu können.
21:58Und die Seele, die kann offenbar ganz gut unterscheiden, wann ist das möglich zu erzählen oder zuzulassen, diese Erinnerung und wann ist das nicht möglich.
22:12Durch bestimmte Schlüsselreize kann das Vergessene wieder auftauchen aus dem Unterbewussten.
22:17Bei Annika T. war das so, als sie dem Täter plötzlich im Bus gegenüber stand und ihr Leben aus den Fugen geriet.
22:25Seither hat sie in mehreren Therapien die schlimmen Erlebnisse ihrer Kindheit aufgearbeitet.
22:30Es ist ein langer Weg. Noch immer schafft sie es nicht, in einen Keller zu gehen oder in einen Bus einzusteigen.
22:39Aber es geht ihr besser.
22:40Dennoch habe ich immer so Bilder im Kopf, die einfach so eingespielt werden.
22:45In meinem Hirn halt so, wie zum Beispiel, wie er den Gang im Gerichtssaal runterkommt, sowas zum Beispiel.
22:52Oder zum Beispiel, wenn ich frisch geduscht aus der Dusche komme, dann rieche ich ihn manchmal.
23:01Stefan H. wurde 1997 aufgrund mangelnder geistiger Reife nach Jugendstrafrecht verurteilt.
23:14Er bekam eine Bewährungsstrafe. Heute lebt er auf freiem Fuß in Magdeburg.
23:20Ein Urteil, das für Annika T. schwer auszuhalten ist.
23:24Im Fall von Katrin S. hatte die Tat keine juristischen Folgen für die mutmaßlichen Täter.
23:31Die Staatsanwaltschaft ermittelte zwar weiter und konnte die Männer identifizieren, doch es kam nie zur Anklage.
23:38Nach einem Jahr wurde das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
23:44Für mich hat das eben nichts mit Gerechtigkeit zu tun.
23:47Ja, also das wurde angezweifelt, was mir passiert ist.
23:55Und das ist auch wieder was, womit du dann zurechtkommen musst.
24:01Bis zum nächsten Mal.
24:03Bis zum nächsten Mal.
24:05Ich bin jetzt noch ein Schuss.
24:07Jetzt seh ich zum nächsten Mal.
24:10Ich habe das letzte Mal undего!
24:12Und das habe ich…
24:14Riesen gesagt.
24:15Untertitelung des ZDF, 2020
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