- 6/11/2025
Mit der industriellen Revolution verschärfen sich in den Staaten des Deutschen Bundes soziale Probleme, es kommt zu Massenarmut (Pauperismus) und zur Entstehung der Arbeiterklasse. Der Philosoph Karl Marx (1818–1883) fordert von seinem Exil in London aus die Arbeiter zum Klassenkampf auf; Ziel seiner Vision, die er 1848 im Kommunistischen Manifest verkündet, ist die Überwindung des Kapitalismus und die klassenlose Gesellschaft, der Kommunismus. Seine Denkweise wird später von Herrschern wie Lenin oder Stalin kopiert.
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00:00Die Mitte Europas im Wandel der Zeit.
00:09Ein Land, das lange braucht, um eins zu werden.
00:14Menschen, die sich erst im Laufe der Jahrhunderte als deutsch verstehen.
00:22Wer sind wir?
00:26Woher kommen wir?
00:27Fragen an die Geschichte der Deutschen.
00:33Für die Revolution!
00:36Für die Demokratie!
00:39Für die Republik!
00:48Die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts wirft die soziale Frage auf.
00:54Er gibt radikale Antworten.
00:57Der deutsche Philosoph Karl Marx.
01:04Seine Vision einer klassenlosen Gesellschaft macht den streitbaren Draufgänger zum einflussreichsten Deutschen der Moderne.
01:12Seine Ideen verändern die Welt, wenn auch nicht unbedingt im Sinne des Erfinders.
01:20Es ist eine hochexplosive Zeit im März 1848.
01:34Revolution geht um in Europa.
01:36Auch in Belgien.
01:37Da gilt ein rebellischer Emigrant wie Karl Marx schnell als Unruhestifter.
01:47Die haben dürfen das.
01:48Wo ist der?
01:50Was ist hier los?
01:52Herr Marx, darf ich bitten?
01:54Zwei Mann in jedes Zimmer.
01:56Wir nehmen alles mit.
01:57Meine Papiere!
01:59Bitte, lassen Sie keinem Wied aus.
02:00Meine Papiere sind vollkommen in Ordnung.
02:01Das wird sich herausstellen.
02:04Darf ich Sie jetzt bitte, mich auf die Präfektür zu begleiten?
02:06Bitte machen Sie keine Schwierigkeiten.
02:08Alle, Monsieur.
02:09Die Preußen haben Sie wohl geschickt.
02:11Wir haben eine Aufenthaltsgenehmigung.
02:13Und wir haben Kinder.
02:19Mach doch keine Sorgen.
02:21Der Papa ist bald wieder da.
02:22Ihr müsst jetzt ganz brav sein.
02:25Der Papa kommt ja wieder.
02:27Geh jetzt gleich los, Jenny.
02:28Du weißt zu wem.
02:30Sagt der Papa, Jenny.
02:31Kommen Sie jetzt.
02:32Ich liebe dich.
02:33Unter dem Vorwand ungültiger Papiere wird der staatenlose Publizist ins Brüsseler Rathaus.
02:39abgeführt.
02:40Dort offenbart sich der wahre Grund.
02:43Karl Marx wird verdächtigt als Rädelsführer der Revolution gegen die Monarchie.
02:50Sie haben ein Vermögen von 6000 Fr. von Ihrem Vater geernt.
02:54Was ist mit dem Geld?
02:56Was soll damit sein?
02:58Sie haben damit die Waffen der Aufrührer bezahlt.
03:01Das ist doch absurd.
03:01Setzen Sie sich wieder.
03:09Ich bin kein Putschist.
03:13Ich bin Philosoph.
03:17Also bitte.
03:21Die Revolution
03:22kommt auch ohne meine Notgroschen.
03:26Das
03:26ist wie ein Naturgesetz.
03:31Meinen Sie damit das hier?
03:32Das kommunistische Manifest von Karl Marx.
03:38In jenen Tagen frisch gedruckt, wird es seine historische Sprengkraft erst viel später entfalten.
03:44Kein Deutscher seit Luther hat eine so weitreichende Wirkung.
03:48Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
03:53Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
03:57Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur.
04:02Sie ist das Opium des Volkes.
04:05Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.
04:10Karl Marx wird zum Schreckgespenst und zur Ikone.
04:18Er deutet die Welt und ihre Zukunft neu.
04:22Zu Lebzeiten aber findet er kein Glück für sich und seine Familie.
04:29So auch im Londoner Exil, wo der politisch Verfolgte seine zweite Lebenshälfte verbringt.
04:40Der achtjährige Edgar, Musch, wie der Vater sein Lieblingskind nennt, hat sich einer Lungenentzündung zugezogen.
04:49Ist ja gut. Es wird ja alles wieder gut.
04:53Am Morgen des Karfreitag 1855 stirbt er.
05:01Mir selbst blutet das Herz und brennt der Kopf.
05:05Der arme Musch ist nicht mehr.
05:07Er entschlief in meinen Armen.
05:12So beschreibt Karl Marx diesen Tiefpunkt im Emigrantenmilieu von London.
05:21Karl Marx gilt als Künder einer besseren Welt.
05:26Durch seine eigenen Kinder wachsen, wie viele andere, im Flüchtlingselend auf.
05:30In fünf Jahren verliert das Ehepaar drei seiner sechs Kinder.
05:42So weit, so weit muss es mit uns kommen.
05:48Mein Gott.
05:50Wie soll es nur weitergehen?
05:51Es muss ja auch immer alles bis zum Äußersten gehen.
06:01Sich zu fügen war seine Sache nie.
06:04Schon als junger Student in Bonn weicht Marx keinem Frontalangriff aus.
06:09Halt!
06:11Wer siegen will, sollte seine Waffe nicht verlieren.
06:15Seine Ehre verpflichtet der Burschenschaftler auch mit dem Säbel.
06:19Er raset voller Wut, als wollte er packen, das weite Himmelszelt und zu der Erde ziehen.
06:24So dichtet ein Freund ihm nach.
06:26Halt!
06:27Burschenschaften, damals Verfechter demokratischen Fortschritts, streiten auch gern.
06:38Karl wird einmal wegen einer verbotenen Waffe aktenkundig.
06:43Er ist ein Kind seiner Zeit, der Romantik.
06:47Der lebenslustige Student befasst sich viel lieber mit Liebe, Lyrik und Philosophie,
06:53als mit der väterlich vorbestimmten Juristenlaufbahn.
06:57Wie glücklich ist für wahr der Staat, der solche Bürger hat.
07:05Der solche Bürger hat.
07:07Lambert!
07:09Ausgerechnet du und Bürger, du bewegst dich doch jetzt auf Adelsschwingen.
07:14Ach, jetzt bin ich.
07:16Aber sei unbesorgt.
07:17Das Einzige, was uns wirklich adelt, ist doch die Bildung.
07:25Oder die Einbildung, mein Freund.
07:26Die heimliche Verlobte ist eine Adelige.
07:31Jenny von Westphalen und Marx selbst haben sich sicher von Jugend an als füreinander bestimmt empfunden.
07:37Aber Jenny war mehrere Jahre älter als er.
07:40Es war die Unterschiedlichkeit des Herkommens.
07:43Preußisch-protestantische Familie, jüdische Familie.
07:47Und es war die Tatsache, dass Marx noch studierte und nichts verdiente.
07:51Und all diese Barrieren, das waren drei, drei sehr hohe, haben sie in einem Kraftakt überwunden,
07:59den man wirklich als symbolische revolutionäre Tat bezeichnen könnte.
08:03Karl Marx ist ein Spross der deutschen Provinz.
08:11Seine Heimat an der Mosel ist politisch und wirtschaftlich abgemeldet,
08:15seit Stadt Napoleon Preußen hier regiert.
08:18Im katholischen Trier wächst Karl in einem protestantischen Elternhaus jüdischer Herkunft heran.
08:26Seine Ahnen hießen noch Mordechai, einige waren Rabbiner.
08:33Auf dem jüdischen Friedhof in Trier sind ihre Gräber.
08:37Doch Vater Heinrich, ein Anwalt, lässt die Familie nun preußisch korrekt taufen.
08:45Das Gymnasium weist dem Sohn im Geiste der Aufklärung den Bildungsweg.
08:50Wer nur für sich selber schafft, wird nie ein wahrhaft großer Mensch, schreibt der Abiturient.
09:02Kleinteiligkeit prägt die deutschen Lande vormitte des 19. Jahrhunderts.
09:0838 Einzelstaaten sind im Deutschen Bund ihr Lose zusammengefügt, dominiert von den Vormächten Österreich und Preußen.
09:16Mit seinem Militär- und Beamtenapparat wird das aufstrebende Königreich zur Bastion gegen freiheitliche Ideen.
09:311836 zieht Karl Marx in die preußische Hauptstadt.
09:38An der Humboldt-Universität will er Philosophie studieren.
09:42Doch die vorherrschende Lehrmeinung ist ihm bald zu eng.
09:46Er hält dagegen.
09:49Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert.
09:53Es kommt aber darauf an, sie zu verändern.
09:57Ideen, Religionen, Staaten sind nichts weiter als Produkte ihres materiellen Bodens.
10:04Marx interpretiert die Lehre eines berühmten Vordenkers um.
10:08Das große Bildungserlebnis für Marx in Berlin war die Philosophie Hegels.
10:14Vor allen Dingen durch eine Sicht auf die Weltgeschichte, die man vielleicht so charakterisieren kann.
10:20Die Geschichte ist das Werk der Menschen selbst.
10:23Die Welt bewegt sich in Widersprüchen.
10:26Und das Rätsel der Geschichte ist in dem Augenblick gelöst, wo alle von den Menschen selbst geschaffenen, sie aber beherrschenden Institutionen und Mächte abgeschafft sind und die Menschen die Welt beherrschen, anstatt von ihr beherrscht zu werden.
10:43Und so deutet er die Geschichte.
10:46Schon in der Antike erzeugte die Macht der Sklavenhalter Gegenkräfte, an denen sie zerbrach.
10:52Auf der nächsten Stufe, der Fürstenherrschaft, erzwingt der Gegensatz von Adel und Untertanen eine neue Gesellschaftsform.
10:59Die Herrschaft des Besitzbürgertums, der Bourgeoisie.
11:02Der Kapitalismus wiederum provoziert den Klassenkampf mit der Arbeiterschaft, dem Proletariat.
11:09Ihm, so Marx, gehört die Zukunft.
11:14Seine Zukunft liegt in Köln.
11:17Die werdende Industriestadt, damals zu Preußen gehörend, gönnt sich ein liberales Organ, die Rheinische Zeitung.
11:24Als deren Chefredakteur kämpft der Doktor der Philosophie gegen die rote Tinte der Zensur.
11:33Rein optisch, ein Blutbad. Ist du beleid.
11:37Hätte ja auch mal ein Satz so bleiben können, wie er gesetzt ist.
11:40Gleich.
11:44Den Warenzündstoff hat der brave Herr Geheimrat in seinem Diensteifer völlig übersehen.
11:49Ein Hoch auf das preußische Zensurbeamtentum.
11:57Was mischst du dich auch in die Politik ein, Karlchen?
12:00Das ist doch halsbrecherisch. Das geht nicht gut.
12:03Ich bin's doch auch leid.
12:05Das ewige Schmiegen und Biegen, die Wortkauberei.
12:08Der Fortschritt ist nun mal ein störrischer Esel.
12:10Du aber auch.
12:18Prost.
12:18Bald wird die aufmüpfige Zeitung verboten.
12:21Marx sieht nur noch den Ausweg ins Exil.
12:25Zunächst nach Paris.
12:27Die Stadt der Revolutionen gilt damals als Oase der Freiheit.
12:32Hier geistern die radikalsten Ideen Europas durch die Cafés.
12:36Auch die der Kommunist, der ersten Kommunisten.
12:40Eigentum ist Diebstahl.
12:42Gemeingut statt Privatbesitz sind ihre Parolen.
12:45Allein 80.000 Deutsche leben in Paris.
12:50Auch hier steht's im Visier ihrer Polizei.
12:54So meldet ein Spitzel.
12:56In Paris beginnt sich eine neue Klasse von deutschen Schriftstellern, Künstlern und Handwerkern zu erheben,
13:02welche den Umsturz auf dem Wege sozialer Reformen herbeiführen wollen.
13:06An der Spitze dieser Partei stehen die Vertreter der Hegelschen Lehre, Marx und Engels.
13:12Friedrich Engels, Fabrikantensohn aus Barmen, kommt gerade aus Manchester, wo sein Vater eine Baumwollspinnerei betreibt.
13:20Die Begegnung mit Friedrich Engels in Paris 1844 muss sehr bemerkenswert gewesen sein,
13:36weil zwei junge Männer da aufeinander getroffen sind, die feststellen, dass sie in allem übereinstimmen.
13:44Es war Friedrich Engels, der Kaufmann, der Marx nahegebracht hat, was Marx nicht kannte,
13:52nämlich soziale Wirklichkeit und eine Anschaulichkeit der eigenen Erfahrung.
13:58Er hat dem Marx eine Wirklichkeit gezeigt.
14:01Wenn die Gesellschaft hunderte von Proletariern vorzeitig ins Grab bringt, wissentlich,
14:07wenn sie tausenden die nötigen Lebensbedingungen erzieht, so ist das Mord und nichts anderes.
14:12Sozialer Mord, gegen den man sich nicht wehren kann, weil man den Mörder nicht sieht.
14:19Sogar die Kinder geraten schon in dieser Maschinerie.
14:23Wer sich von klein auf jeden Tag zwölf Stunden in der Fabrik abplagt,
14:28kaum mal in der Schulbank statt an der Werkbank sitzt,
14:31wie viele menschliche Gefühle und Fähigkeiten soll der noch in sein 30. Jahr hinüber retten?
14:38Sieht das denn keiner?
14:44Friedrich Engels kennt das Elend aus eigener Anschauung.
14:48Für das väterliche Textilwerk in der Nähe von Köln schuften Heimwerker und Fabrikarbeiter,
14:54um Hunger und Not auf dem Land zu entfliehen.
14:57Darunter auch Kinder, die Hauptleidtragenden der frühen Industriezeit.
15:03Als Folge von Überbevölkerung, Missernten und Seuchen
15:07überlebt jedes vierte Neugeborene die Kindheit nicht.
15:11Gewinn aus der Fronarbeit zieht eine neue Schicht bürgerlicher Fabrikanten, wie Engels Vater.
15:24Für den strenggläubigen Pietisten zeigt sich Gottgefälligkeit auch im wirtschaftlichen Erfolg.
15:30Ein Kind mehr oder weniger verkommen zu lassen, bringt doch eine Pietistenseele nicht in die Hölle.
15:38Wie meinen alten Herrn, obwohl der alle Tage zweimal in die Kirche rennt.
15:41Genau, und die Arbeiter, indem sie seinen Reichtum vermehren,
15:44schmieden durch ihre Arbeit auch noch ihre eigenen Ketten
15:47und zahlen für ihre eigene Ausbeutung die Rechnung.
15:50Man nennt dieses Jahrzehnt oft die Hungry Forties, die hungrigen 40er Jahre.
16:09Es ist eine Zeit extremer materieller Not,
16:14einer der letzten Krisen der europäischen Agrargesellschaft.
16:18Es ist zugleich eine Zeit, in der es viele Aufstände, Hungeraufstände gab.
16:23Man denkt etwa auch an Weberaufstände in Deutschland.
16:28Und vor diesem Hintergrund entwickelt der junge Karl Marx seine politischen Ideen.
16:36Marx hält eine Revolution für unausweichlich.
16:38Sie wird eine Welt schaffen ohne Eigentum, ohne Entfremdung, ohne Klassen.
16:43In ihr kann der Mensch ganz nach seinen Bedürfnissen leben.
16:46Er kann morgens jagen, nachmittags fischen, abends Viehzucht betreiben,
16:52nach dem Essen kritisieren, wie er eben Lust hat.
16:55Ja, aber ohne jemals im Leben ein richtiger Jäger, Viehhirte, Fischer oder Kritiker gewesen zu sein.
17:06Einer wie du eben.
17:07Mit ihrer Theorie streben die Freunde nun in die politische Praxis.
17:161845 wird der provokante Autor auf Betreiben Preußens aus Paris vertrieben.
17:23Neues Asyl findet Marx mit seiner Familie in Brüssel.
17:27Hier sucht er Anschluss an Geheimbünde von Handwerkern und Arbeitern.
17:31Ihr umtriebigster Anführer ist der Schneider Wilhelm Weidling.
17:36Ein frühsozialistischer Wanderprediger, der, wie Engels lästert,
17:40ein Rezept zur Verwirklichung des Himmels auf Erden fertig in der Tasche trägt.
17:44Nein, nur so können wir ein irdisches Paradies errichten,
17:47in dem die Menschen sich nicht länger bekämpfen,
17:49sondern frei und gleich in Frieden als Brüder leben.
17:51Alle Menschen werden Brüder Weidling.
17:53Es gibt viele Menschen, deren Bruder ich niemals sein will.
17:57Wir müssen den Arbeitern doch nur die Augen öffnen,
17:59dann werden sie sich schon selbst befreien.
18:01Mit ihren fantastischen Hoffnungen führen sie die Menschen in den Untergang Weidling.
18:04Das Volk auffiegel.
18:06Ohne wissenschaftlich fundierte Erkenntnis.
18:08Das ist einfach Betrug.
18:10Ich habe im Kerker gesessen
18:11und habe mehr Brüder um unsere Fahne geschart,
18:14als mancher der hier am Tisch versammelten Stuben gelehrten.
18:17Weidling mit Wissenschaft erreicht er die Herzen der Arbeiter nicht.
18:20Niemals!
18:20Niemals hat Unwissenheit irgendjemandem genutzt!
18:27Einer der Anwesenden schreibt über Marx.
18:30Vor mir stand die Verkörperung eines demokratischen Diktators.
18:38Marx hatte wie Hegel die Vorstellung,
18:42er ist im Besitz des absoluten Wissens.
18:45Das war sozusagen die Position,
18:48von der aus er auch anderen Leuten
18:50entgegengetreten ist.
18:52Er kannte den
18:54vergangenen und zukünftigen Verlauf der Geschichte.
18:58Doch die Geschichte ist eigenwillig.
19:01Sie folgt keinem Gesetz.
19:02Utopisten, Weltverbesserer und Gewaltherrscher aller Länder
19:10werden später ihre Schlüsse aus Marx' Schriften ziehen.
19:14Der Urheber eines Kommunismus mit wissenschaftlichem Anspruch
19:18ist sicher nicht dafür verantwortlich,
19:20was selbsternannte Erben daraus machen,
19:24wie sie mit Andersdenkenden umgehen.
19:25Aber steckt nicht schon im Ursprung ein Keim für späteren Missbrauch?
19:35Marx hatte die sehr vage Vorstellung einer klassenlosen Gesellschaft
19:39als Zukunftsperspektive,
19:41aber dass dieses Ganze eben eine innere Dialektik in sich birgt,
19:46die zu neuen diktatorischen und Zwangsverhältnissen führen kann,
19:51darüber hat er sich relativ wenig Gedanken gemacht.
19:53Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
19:57Nach Weitlings Entmachtung führen Marx und Engels das Wort in der Politsekte,
20:02die jetzt nach ihrem Vorschlag Bund der Kommunisten heißt.
20:06Und sie geben ihr ein Programm, das Manifest der kommunistischen Partei.
20:11Nicht schlecht, ein Gespenst geht um in Europa.
20:15Das Gespenst des Kommunistens.
20:17Marx rühmt die Verdienste der Bourgeoisie für den Fortschritt gegen den Adel.
20:21Nun aber produziere sie ihre eigenen Totengräber.
20:25Die verarmten Massen würden sich gegen ihre Ausbeuter erheben, im Klassenkampf.
20:30Die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten.
20:35Sie haben eine Welt zu gewinnen.
20:36Just als das Manifest erscheint, ist in Paris die Revolution da.
20:43Für Marx das erhoffte Signal.
20:46Durch das Schmettern des gallischen Hahns wird auch der deutsche Auferstehungstag verkündet werden.
20:50Mit Volldampf fegt die revolutionäre Kunde im Frühjahr 1848 durch Europa.
21:00Auch in den deutschen Landen gehen die Untertanen auf die Barrikaden.
21:07Nach Jahren der Lähmung wirken sie wie aus dem Dornröschenschlaf gerissen.
21:11Sie fordern Freiheit, Demokratie und ein geeintes Land.
21:17Der Druck der Straße zwingt Fürsten und Monarchen zu Rücktritten und Zugeständnissen.
21:25Im Mai 1848 beraten in der Frankfurter Paulskirche erstmals in der Geschichte
21:32frei gewählte Volksvertreter aus ganz Deutschland über Grundrechte und eine Verfassung.
21:38Allerdings ist in diesem Parlament keineswegs das Proletariat die herrschende Klasse,
21:45wie im Manifest verheißen.
21:47Unter den Abgeordneten sind gerade mal vier Handwerker, kein Arbeiter.
21:52Die Zukunft braucht noch Zeit.
21:56Marx war der Ansicht, 1848 sollte zunächst mal das Fordalsystem in Euro in Deutschland abgeschafft werden.
22:03Es sollten bürgerliche, liberale Verhältnisse hergestellt werden.
22:06Es sollte also kurz gesagt das Industrie- und Bankkapital zur Herrschaft kommen.
22:13Alles der Reihe nach.
22:16Marx sieht die Umstände noch nicht reif für eine proletarische Revolution.
22:21Erst einmal soll das Bürgertum die alte Adelsmacht besiegen,
22:24damit es später selbst bezwungen werden kann vom Proletariat.
22:28Sieht doch ganz manierlich aus.
22:32Hier.
22:33In seiner neuen rheinischen Zeitung in Köln setzt der Chefredakteur auf das Zweckbündnis mit den liberalen Bürgern.
22:39Das muss die Bourgeoisie ja in große Freude versetzt haben.
22:44Man kann sich seine Bundesgenossen nicht aussuchen, Engels.
22:47Kommunismus.
22:49Das ist doch noch das Schreckwort für die Bürger.
22:52Würde einer offen als Kommunist auftreten.
22:55Ich glaube, der würde gesteinigt werden.
22:57Es ist noch nicht die Zeit.
22:59Als im September 1848 in Köln Arbeiter rebellieren,
23:09verhängt die neue bürgerliche Regierung den Belagerungszustand.
23:13Jetzt drängen die Revolutionäre zum Aufstand gegen die Bourgeoisie.
23:18Nicht aber Marx.
23:20Bitte jetzt nehmt doch endlich Vernunft an.
23:23Genossen!
23:24Man muss das doch bitte mal dialektisch sehen.
23:27Wenn ihr jetzt einen Aufstand anzettelt.
23:29dann erreicht ihr nicht die Emanzipation der Arbeiterklasse,
23:32sondern allenfalls ihren Niedergang.
23:37Was soll dieses Geschwafel?
23:39Jetzt ist aber Schluss mit eurem Dialektkram.
23:42Und diesem Theorie ihr Laber.
23:43Jetzt ist die Chance.
23:44Jetzt, jetzt, jetzt!
23:50Bürger!
23:51Bürger, jetzt hör doch mal zu!
23:53Bürger!
23:54Wenn nicht das gesamte Volk durch große Fragen in den Kampf gedrängt wird,
23:57dann ist dein Aufstand sinnlos!
24:04Komm Jenny, wir gehen.
24:06Es ist alles gesagt.
24:11So ein Unsinn!
24:12Wenn die Revolution vorbei ist, brauchen wir nicht mehr auf die Barrikaden!
24:15Amor!
24:16Auf die Barrikaden!
24:17Auf die Barrikaden!
24:18Doch auch die bürgerliche Revolution von 1848 erlebt ihre Götterdämmerung.
24:28Feuer!
24:32Von Wien ausgehend erobern die monarchischen Mächte ihre Vorherrschaft zurück.
24:38Der kurze Traum von Einheit, Recht und Freiheit ist verflogen.
24:45Nach Österreich und Preußen gewinnen auch in den deutschen Kleinstaaten die Fürsten wieder die Oberhand.
24:52Nur im Südwesten trotzen 1849 noch badische und pfälzische Revolutionsheere den preußischen Bundestruppen.
25:00Marx und Engels reisen dorthin, um mit den verbliebenen Kräften die Demokratie noch zu retten.
25:10Vergeblich. Zu sehr sind die Freiheitskämpfer in Bedrängnis.
25:17Der militärisch geschulte Engels stürzt sich in den Abwehrkampf.
25:21Und beklagt sich bei seinem Philosophenfreund über das Versagen des Bürgertums.
25:30Da sieht man's wieder. Das Kämpfen überlassen diese liberalen Geldsäcke dann doch lieber der Plebs.
25:36Wenn's wirklich ums Ganze geht, kneift die Bourgeoisie.
25:40Na du immerhin nicht. Du bist und bleibst eben ein Soldat, Fritz.
25:44Tief drin in deinem Bourgeoisen-Wams.
25:46Als Kommandeur einer Schützenkompanie schlägt sich der Geschäftsmann wacker.
25:56Aber gegen die preußische Militärmacht sind die 600 Idealisten verloren.
26:03Es kommt drauf an, die Welt zu verändern. Ganz ohne Waffen geht das nicht, mein Freund, wie du weißt.
26:08Meine Waffe wird wohl die Schreibfeder bleiben. Damit treffe ich, glaube ich, besser.
26:12Gutes Gelingen, lieber Freund. Pass auf dich auf.
26:25Nachgeschlagener Schlacht flieht Friedrich Engels in die Schweiz.
26:30Im Juli 1849 wird die badische Festung Rastatt, die Fluchtburg der letzten 6000 Freiheitskämpfer, von preußischen Truppen eingenommen.
26:39Über 27 Revolutionäre wird das Todesurteil verhängt. Für ihren Traum von Recht und Freiheit.
26:57Das Gewehr legt ab!
27:04Gipfer!
27:05Damit ist das Ende der ersten deutschen Demokratie besiegelt.
27:23Und so liege ich nun da in meiner Kraft. Eine stolze Rebellenleiche.
27:27Auf der Lippe den Trotz und den zuckenden Hohn, in der Hand den blitzenden Degen.
27:36Noch im Sterben rufend, da hörst du es, Karl.
27:39Noch im Sterben rufend die Rebellion.
27:41So bin ich mit Ehren erlegen.
27:46Mit einem Nachruf des Dichters Ferdinand Freilichrath hat die Neue Rheinische Zeitung verbotsbedingt ihr Erscheinen eingestellt.
27:55Die letzte Ausgabe hat Marx in roter Farbe drucken lassen.
27:58Liebe Genossen, wem ist das schon vergönnt, sein eigenes Begräbnis feiern zu können?
28:09Mit rot ist jetzt wohl erstmal Schluss.
28:15Darauf erstmal Prost.
28:17Prost.
28:18Seiner Meinungsfreiheit beraubt, muss Marx seine Heimat von Neuem verlassen.
28:26Diesmal für immer.
28:31London.
28:33Reichste, größte, freisinnigste Metropole ihrer Zeit.
28:37Die letzte Zuflucht für politische Emigranten in Europa.
28:41Marx findet für seine Familie nur ein karges Quartier im damaligen armen Viertel Soho.
28:48Sein Honorar als Korrespondent einer deutschen und der größten amerikanischen Zeitung reicht bei weitem nicht.
28:56Und so wandert fast die gesamte Habe ins Pfandhaus.
28:59Selbst Mäntel, Schuhe und Jennys ererbtes Tafelsilber.
29:07Das müsste 200 Pfund bringen.
29:10Und sag dem Pfandleiher bitte noch, dass wir alles wieder auslösen werden, sobald wir wieder flüssig sind.
29:18Ach nein, feines Liebchen.
29:33Bitte.
29:34Nicht den.
29:37Das ist eine Reliquie.
29:40Lieber verzichte ich die nächsten Wochen auf...
29:42Ja, du, du, du hast leicht reden.
29:46Die Mädchen trauen sich nicht mehr aus dem Haus, weil sie keine richtigen Schuhe haben.
29:50Lähnchen kann zusehen, was sie auf den Tisch bringt.
29:53Überall lassen wir anschreiben und ich muss mich tagtäglich verstellen und den Vermieter belügen.
29:59Damit er uns nicht hinauswirft.
30:02Mach doch ein einziges Mal die Augen auf.
30:04Jenny hat natürlich geklagt über die wirtschaftliche Bedrängnis, über die Unmöglichkeit, die Kinder medizinisch richtig zu versorgen.
30:18Sie hat ihrem Mann oft bittere Vorwürfe gemacht, dass er nicht imstande sei, seine Familie anständig zu ernähren.
30:26Aber letztendlich hat sie mit einer unerbittlichen, unerschütterlichen Treue zu ihrem unzuverlässigen Karl Marx gehalten.
30:36Sie hat wirklich an sein politisches Werk geglaubt.
30:40Zur schwersten Belastungsprobe für die Ehe wird die Schwangerschaft von Helene Demuth, der guten Seele im Haushalt.
30:49Jenny entgeht nicht, wer der Vater ist.
30:52Ihr Ehemann.
30:53Für die Außenwelt übernimmt Engels die Vaterschaft.
30:56Es ist eine unglaubliche Lebenslüge, diese Vaterschaft auf Engels zu schieben, um die Ehe zu retten.
31:05Das muss man sich mal vorstellen.
31:07Selbst das hat Engels für seinen Freund auf sich genommen.
31:10Die Vaterschaft an diesem unehelichen Kind.
31:14Und nicht nur das.
31:17Hm, Kapital.
31:18Um die Not der Familie zu lindern, schickt Engels aus Manchester, wo er im väterlichen Zweigwerk arbeitet, regelmäßig Geld.
31:26Aus Furcht vor Diebstahl in halbierten Scheinen.
31:32Die Erträge aus dem Manchester-Kapitalismus sind die Rettung für den mittellosen Lebenskünstler Marx.
31:38Ohne die Subvention von Engels hätte Marx weite Teile seines Werks nicht fertig bringen können und auch Schwierigkeiten gehabt, bestimmte Krisenjahre zu überleben.
31:50Dann, nach langem Aufschwung, wird 1857 die Londoner Börse von einer Krise erfasst.
31:56Von New York aus gehen, stürzen die Aktienkurse.
32:00Firmen gehen pleite, entlassen ihre Arbeiter.
32:04Auch Engelsanteile sind nur noch die Hälfte wert.
32:08Doch die Freunde frohlocken.
32:10Endlich ist sie da.
32:12Die Epidemie der Überproduktion.
32:14Nun, so erwarten sie, wird sich programmgemäß das Proletariat erheben.
32:22Jedes Mal, während eine Krise am Horizont sich abzeichnete, war Marx eben völlig euphorisch.
32:26Ich dachte, jetzt beginnt eine neue europäische Revolution, wieder wie 1948.
32:30Die Krise bringt die Gesellschaft wieder in den Ausnahmezustand, aus dem heraus Revolutionen entstehen.
32:37Doch die Krise verstreicht.
32:39Der Klassenkampf fällt aus.
32:42Gleichwohl zeigt Marx keine Scheu vor dem Tempel des Geldes.
32:47Der kritische Kenner des Kapitalismus spekuliert nämlich selbst.
32:52Mit amerikanischen und britischen Wertpapieren.
32:54Und das zahlt sich für ihn aus.
32:5870, 80, 90, 400 Pound and 40 Pound.
33:02Man darf schon etwas riskieren, um seinen Freunden das Geld abzunehmen.
33:06Schreibt Marx.
33:07Nicht Aktiengewinne, sondern Erbschaften und Engelsspenden erlauben der Familie, in ein ansehnliches Reihenhäuschen umzuziehen.
33:18Dort leistet Marx sich einen durchaus bürgerlichen Lebensstil.
33:21Privatsekretär und Klavierstunden der Töchter inklusive.
33:28Marx lebte von Anfang an immer auf großem Fuß.
33:31Also das, glaube ich, beschwert sich bereits sein Vater, als er Student ist.
33:35Und das ist auch im englischen Exil so.
33:39Also eine persönliche Feindschaft gegenüber der Bourgeoisie hatte er nicht.
33:43Am wohlsten fühlt der Denker sich an seinem Hauptaufenthaltsort.
33:50In der britischen Nationalbibliothek.
33:53Der damals bedeutendsten Büchersammlung wühlt er sich durch das Wissen der Welt.
33:57Marx konnte ins britische Museum gehen.
34:04Er hatte dort einen Arbeitsplatz, den er sozusagen permanent belegte.
34:08Und sobald ihm irgendetwas Neues unter die Augen kam, musste er das zunächst mal zur Kenntnis nehmen.
34:14Und so haben sich die Arbeiten manchmal jahrelang hingezogen, bevor sie zum Abschluss kamen.
34:18Also Marx hatte durchaus zwangsneurotische Züge.
34:22Wenn er sich einmal nicht in Privatfäden mit Andersdenkenden verzettelt,
34:27verziert der Autor sich in seinem Lebenswerk und vergisst die Welt um sich herum.
34:38Marx hat sich vorgenommen, die komplexen weltweiten Zusammenhänge von Kapital und Arbeit zu ergründen.
34:45Keine Streitschrift, wie er betont, sondern ein Triumph der deutschen Wissenschaft.
34:49Ein Polizeispitzel beschreibt Pikiert seinen Lebensstil.
35:00Er führt ein wahres Zigeunerleben.
35:02Sehr oft bleibt er ganze Nächte auf, dann legt er sich mittags angekleidet aufs Kanapé unbekümmert um die ganze Welt,
35:09die bei ihm frei aus und eingeht.
35:111867, nach mehr als 15 quälerischen Jahren, ist das Manuskript endlich druckreif.
35:23Von einer geplanten Reihe wird nur der erste Band zu Lebzeiten erscheinen.
35:28Das Kapital.
35:31Für Kommunisten weltweit eine Bibel.
35:34Das Buch wirft einen radikalen neuen Blick auf das Geld und die Welt.
35:38Warencharakter der Arbeit ist einer der zentralen Begriffe, die wir mit Marx verbinden,
35:47die auf einen Punkt gebracht besagt, dass der Mensch vor allem etwas hat, was er anbieten kann,
35:53das ist seine Arbeitskraft.
35:56Die muss er verkaufen, um zu überleben.
35:59Und derjenige, der diese Arbeitskraft kauft, hat in der Regel mehr davon, als der, der sie verkauft.
36:11Marx beschreibt eine Welt, in der alles zur Ware wird.
36:15Er sieht auch voraus, wie sehr Maschinen Menschen einst ersetzen werden.
36:19Bald wird manche Prophezeiung Wirklichkeit.
36:25Aus dem neuen Heer der Fabrikarbeiter erwächst eine politische Bewegung.
36:31Auch im Deutschen Kaiserreich.
36:34Reichskanzler Bismarck bekämpft die Sozialisten,
36:37die noch für Jahrzehnte als vaterlandslose Gesellen verfindet sind.
36:41Gleichzeitig sollen seine Sozialgesetze die Not lindern und die Arbeiter mit dem Staat versöhnen.
36:50Marx hat die Lernfähigkeit des Kapitalismus unterschätzt.
36:56Statt zu verelenden, geht es den Arbeitern stetig besser.
37:01Statt in den Aufstand ziehen die Sozialdemokraten ins deutsche Parlament.
37:07Ihr theoretisches Rüstzeug aber haben sie von Marx.
37:10Was aus seinen Ideen wird, darauf hat der Vordenker keinen Einfluss mehr.
37:18Marx wirken als Mitbegründer der sogenannten Internationalen.
37:23Einem Netzwerk von Arbeiterbünden bleibt sein letzter Ausflug in die praktische Politik.
37:31An seinem Lebensabend zieht sich der Denker zurück.
37:35Veröffentlicht keine Zeile mehr.
37:37Dafür betreibt er Studien in allen Sparten der Wissenschaft.
37:41Lernt neue Sprachen.
37:43Einer der letzten großen Universalgelehrten.
37:50Als Folge seines aufreibenden Lebenswandels wird Marx von allerlei Leiden gequält.
37:56Zu seinem großen Kummer erkrankt auch seine Frau Jenny.
37:59An Krebs.
38:11Tochter Ilia Nur schildert später den letzten gemeinsamen Tag.
38:16Nie werde ich vergessen, als er sich stark genug fühlte, in Mütterchenstube zu gehen.
38:21Sie waren zusammen wie der Jung und nicht ein von Krankheit zerrütteter alter Mann und eine sterbende alte Frau, die voneinander Abschied nehmen.
38:37Karl Marx hat ja bei aller Liebe nicht gespart gegenüber Engels mit zynischen Bemerkungen über Familienleben und Ehe.
38:59Aber als es dann tatsächlich so war, dass er keine Frau mehr hatte, da war er ein gebrochener Mann und hat immer wieder gesagt, dass ihm das Beste aus seinem Leben genommen worden sei.
39:12Ende 1881 stirbt die Frau seines Lebens.
39:15Anfang 83 auch ihre älteste Tochter.
39:18Zwei Monate später folgt ihnen Karl Marx in den Tod.
39:22In diesem Sessel, wie so oft, am Schreibtisch.
39:26An seinem Grab auf dem Londoner Highgate-Friedhof finden sich ganze elf Trauergäste ein.
39:39Sein Name wird durch die Jahrhunderte fortleben und so auch sein Werk.
39:45Ruft Friedrich Engels dem Freund zum Abschied nach und sollte damit Recht behalten.
39:51Lange nach dem Tod des Urhebers geht die Saat seiner Worte auf.
39:56Dort, wo Marx es am wenigsten erwartet hat.
39:59Im russischen Agrarland errichtet sein Bewunderer Lenin 1917 eine Diktatur des Proletariats.
40:06Entlehnt von Marx, dessen Schriften er nur zum geringsten Teil kennt.
40:14Fragmente der Theorie werden zum Gütersiegel für eine Gewaltherrschaft, wie Marx sie niemals gewilligt hätte.
40:21Auch Nachfolger Stalin, der menschenverachtende Tyrann, versteht sich als Erbe von Marx.
40:30Nach Maos Machtantritt in China wird die Hälfte der Menschheit von Regimen regiert, die sich auf den deutschen Denker berufen.
40:37Doch der hat einmal listig vorgebeugt.
40:44Ich kann nur eins sagen, ich bin kein Marxist.
40:48Marx ist eine Figur der europäischen Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts.
40:52Der sowjetische und auch der chinesische Kommunismus sind Produkte der großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts.
41:02Und wenn sie das Etikett Marx nicht gefunden hätten, dann hätten sie wahrscheinlich ein anderes Etikett gefunden.
41:07Am Ende scheitert das monströse Experiment, das gleichwohl seinen Namen trägt.
41:19Ist mit dem Fall von Mauern und Ideologien auch der Vordenker erledigt?
41:25Es gibt Aspekte, die in eine undemokratische Richtung verweisen bei Marx.
41:32Was aber nicht heißt, dass nicht bestimmte Fragen, die Marx gestellt hat, uns heute nach wie vor beschäftigen.
41:38Und das ist in erster Linie die Frage nach der Instabilität unseres Wirtschaftssystems.
41:44Diese Frage hat ihn umgetrieben und sie treibt uns heute immer noch um.
41:49Vieles, was Marx analysiert hat, klingt aktueller denn je.
41:54Jeder Aktienschwindler weiß, dass das Unwetter einmal einschlagen muss.
41:58Aber jeder hofft, dass es das Haupt seines Nächsten trifft.
42:02Nach uns die Sintflut ist der Wahlspruch jedes Kapitalisten.
42:07Marx hat keine Antworten auf unsere Krise, aber er zeigt uns, dass es Sinn macht, uns mit unseren Problemen, mit unserer Krise fundamental auseinanderzusetzen.
42:26Und Marx zeigt, wie man sowas macht.
42:30Marx ist die Methode, nicht die Antwort.
42:32Und wie es aussieht, wird Karl Marx uns weiterhin erhalten bleiben.
42:45Als Welterklärer und als Schreckgespenst.
42:52Musik
42:55Untertitelung des ZDF, 2020
43:25Untertitelung des ZDF, 2020
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